Wenn Schule zur unüberwindbaren Hürde wird
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Angst vor Mobbing, Panik im Klassengedränge, übergroßer Druck - so mancher Jugendlicher besucht die Schule monate- oder jahrelang nur selten oder gar nicht. Schulabsentismus kann lebenslange Folgen haben. Ein Projekt in Bochum hilft.
Philipp wirkt fröhlich und aufgeschlossen. Schwer vorstellbar, dass der 13-Jährige vor Monaten die sechste Klasse abgebrochen hat, weil die Schule zur Qual wurde. "Ich werde seit der dritten Klasse gemobbt bis zum Gehtnichtmehr, ich hatte ständig Bauchschmerzen." Im März droht ihm ein Mitschüler, ihn zusammenzuschlagen. Da war Schluss. "Ich war komplett depressiv, musste oft schon im Schulbus heulen", erzählt der Bochumer. Theresa ging fast ein Jahr lang kaum noch zur Schule. "Ich hatte morgens Panikattacken. Ich habe es nur ganz selten noch zur Schule geschafft", sagt die zurückhaltende 15-Jährige mit sehr leiser Stimme.
Schulabsentismus betrifft nicht wenige Heranwachsende in Deutschland und kann dramatische Auswirkungen haben, betont Experte Heinrich Ricking von der Uni Leipzig. Neben Philipp und Theresa kommen acht weitere Jugendliche nach Bochum in die Tagesgruppe Unicus. Für sie alle war der Schulalltag zur unüberwindbaren Hürde geworden. Ihre Stammschule hat sie für ein Jahr mit dem Ziel freigestellt, nach einer Stabilisierung bei Unicus wieder am Unterricht teilnehmen zu können, erläutert Sozialpädagogin Eva-Maria Hagenguth. Manche waren monatelang, einige schon Jahre zuvor kaum oder gar nicht in der Schule. Das Jugendamt prüft den Bedarf im Rahmen der Eingliederungshilfe.
Was führt zu Schulabsentismus? "Wir haben es mit hochsensiblen jungen Menschen zu tun, die sehr störanfällig sind und die mit Belastungsfaktoren und daraus resultierendem Stress nicht umgehen können", schildert Hagenguth. "Zu uns kommen Jugendliche, die aufgrund von psychischen Erkrankungen, Angststörungen, Schulangst, sozialen Phobien oder auch schweren Schicksalsschlägen chronisch keinen Schulbesuch schaffen." Auch Vernachlässigung, Probleme mit Aggressionen können Gründe sein. "Oft fehlt ihnen insgesamt der nötige Support." Viele seien leistungsstark, verfügten über Talente, aber "haben keine Idee von ihren Möglichkeiten, sehen keine Perspektiven und können ihre Emotionen nicht fassen".