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Unter dem "Dente del Lupo" herrscht Schweigen
n-tv
Ein verrotteter Campingplatz ruft Erinnerungen an ein grausames Verbrechen vor 30 Jahren wach und eine sprachlose junge Frau kehrt in den kleinen Abruzzen-Ort unter dem "Wolfszahn" zurück: In ihrem preisgekrönten Roman erzählt Donatella Di Pietrantonio von der Zerbrechlichkeit der Menschen.
Voller Euphorie bricht Amanda in ihr neues Leben als Studentin auf - raus aus dem Bergort in den Abruzzen, rein in den Großstadttrubel von Mailand. Nicht einmal zwei Jahre später kehrt sie, mitten im Corona-Lockdown, zu ihrer Mutter zurück. Sie ist blass und das Strahlen auf ihrem Gesicht verschwunden. Ihr Zimmer verlässt sie kaum, sie mag nicht essen, das Buch ist immer auf derselben Seite umgedreht. "Mailand hat mir eine erloschene Tochter zurückgegeben", stellt ihre Mutter Lucia, Ich-Erzählerin in dem Roman "Die zerbrechliche Zeit" von Donatella di Pietrantonio, rat- und hilflos fest.
Nicht nur die heimgekommene Tochter beschäftigt Lucia. Ihr Vater will ihr ein Waldstück am "Dente del Lupo", dem "Wolfszahn", überschreiben und damit auch eine große Last: Auf dem Gelände unterhalb des Berges rottet ein Campingplatz vor sich hin, der an ein schreckliches Verbrechen erinnert. An einem Abend vor 30 Jahren versammelten sich dort Schäfer, Jäger, Carabinieri und Dorfbewohner, mit Taschenlampen und Gewehren suchten sie im Wald nach drei vermissten jungen Frauen und fanden schließlich zwei schlimm zugerichtete Leichen. Lucias Freundin Doralice überlebte die Bluttat und irrte eine ganze Nacht lang durch die Berge.