Mord und Melancholie im Milieu
n-tv
Für die Kölner Kommissare Ballauf und Schenk wurde es diesmal ausgesprochen pikant, ihr jüngster Fall führte sie geradewegs in den Puff, postmodern "Eros Center" genannt. Ein inszenatorischer Drahtseilakt, bis zum Ende konsequent und spannend auserzählt.
Und wieder einmal wurde die vierte Wand eingerissen, die imaginäre, zum Publikum gerichtete, die das Schauspiel von der Realität abgrenzt, oder besser, die Schauspielenden von den Zuschauern. Das "geschlossene Drama" der französischen Klassik trennte konsequent zwischen beidem, so wurde das Spiel zu einer Art Projektion, einer in sich geschlossenen Versuchsanordnung, der das Publikum folgen konnte, es aber nicht damit rechnen musste, in das Geschehen miteinbezogen zu werden.
In der griechischen Tragödie sah das noch anders, es kam sogar zu Interaktionen. Später entwickelte sich daraus ein inszenatorisches Stilmittel, nicht nur zwischen Bühne und Theatersaal, sondern auch im Kino und daheim vor dem Fernsehapparat. Der Ilusionsbruch als universelles Instrument, mal zum Erklären einer Pointe, dann um ein Geheimnis zu verraten - oder im Monolog das Geschehen zu ergänzen.
Nun mag es "Tatort"-Zuschauerinnen und Zuschauer geben, die beim jüngsten Fall die Hände über dem Kopf zusammenschlugen. Erst vor zwei Wochen, in "Borowski und das ewige Meer", wurde die Wand eingerissen, hatte sich Sofia Hoffmann, eine der Protagonistinnen, mit einem Appell zur Erdrettung ans Publikum gewandt. Vom "einen Motivations-Move zu viel" war an dieser Stelle die Rede, der Grat zwischen Weltpolitik und Wokeness am Sonntagabend, wo man doch eigentlich nur ein paar telegene Morde samt entertainiger Fallaufklärung sehen möchte, womöglich zu schmal.
Der finale Showdown im "Sommerhaus der Stars" bringt dem Siegerpaar Sam Dylan und Rafi Rachek 50.000 Euro mehr auf dem Konto ein. Doch das Finale sorgt vor allem durch Eskalationen und Handgreiflichkeiten für Gesprächsstoff. Zuschauer diskutieren: Haben wir alle Trash-TV etwa jahrelang falsch verstanden?