Selenskyj hält Deutschland den Spiegel vor
n-tv
Er spricht von einer neuen Mauer in Europa, vom Bombardement auf ukrainische Städte - 80 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg. Wolodymyr Selenskyj trifft mit seiner Rede vor dem Bundestag ins Herz des deutschen Selbstverständnisses. Doch den Abgeordneten ist die Tagesordnung wichtiger.
Ganz am Ende wird es peinlich. Die Betroffenheit ist auch der stellvertretenden Bundestagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt anzumerken. Da hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eine Rede gehalten, mutmaßlich aus dem belagerten, bombardierten Kiew. Er hat um Hilfe gebeten im Kampf für sein Volk, für Freiheit und Demokratie in seinem Land. Doch der Deutsche Bundestag geht zur Tagesordnung über.
Keine halbe Stunde zuvor hatte Sitzungsleiterin Göring-Eckardt zum Auftakt dieser denkwürdigen Parlamentssitzung noch vom jahrelangen Krieg in der Ukraine gesprochen, von den Bombardierungen von Zivilisten und dem russischen Angriff auf die europäische Friedensordnung. Davon, "dass Freiheit ein Geschenk ist und doch immer wieder neu erkämpft werden muss" - womit sie sich auf ihre eigene Erfahrung während des Mauerfalls bezog. Sie hatte gesagt, dass die Welt und Deutschland der Ukraine beistünden.
Doch Selenskyj, der nach Göring-Eckardts Einführungsworten auf zwei großen Bildschirmen im Bundestagsplenum erscheint, reichen diese warmen Worte nicht. Er fordert mehr von Deutschland: "Ich wende mich an Sie nach drei Wochen des unerwarteten Angriffs auf die Ukraine. Ich melde mich, während Russland das Land bombardiert", sagt er zum Auftakt und macht damit gleich den Ernst seines Appells klar: "Russland bombardiert unsere Städte und zerstört alles, was in der Ukraine da ist. Das sind Wohnhäuser, Krankenhäuser, Schulen, Kirchen, alles - mit Raketen, mit Bomben, mit Artillerie." Er spricht von den vielen tausend Ukrainern, die seit der Invasion am 24. Februar gestorben sind. Er spricht von 108 ermordeten Kindern, "mitten in Europa, im Jahr 2022".
Er ist maßgeblich an der Tesla-Ansiedlung beteiligt - eine der Erfolgsgeschichten der Brandenburger Wirtschaft. Nun aber zieht sich Jörg Steinbach zurück. Als Grund nennt er das Bündnis der SPD mit dem BSW. Ministerpräsident Woidke reagiert etwas kühl. Die Grünen würdigen seine Pro-Ukraine-Haltung als nicht sehr verbreitet im Landesverband.