Der Weltmeister, der im Schreibwarenladen sein Glück fand
n-tv
Er ist Weltmeister, Europameister und mehrfacher deutscher Meister geworden, doch nach der aktiven Karriere auf dem Fußballplatz arbeitete "Katsche" Schwarzenbeck bis zur Rente in einem Schreibwarenladen. Aber auch dort verfolgte ihn der Fußball. Denn immer wieder musste der genügsame Bayer von seinen größten Erfolgen erzählen.
15. Mai 1974. Es ist die Nacht des Hans-Georg Schwarzenbeck. Der Mann, den sie alle nur "Katsche" nennen, hat gerade durch sein Tor in der 120. Minute zum 1:1-Ausgleich den FC Bayern München vor der Niederlage im Finale des Landesmeisterwettbewerbs in Brüssel gegen Atlético Madrid bewahrt. Luis Aragonés, der kreative Mittelfeldspieler von Atlético, hatte dem Bayern-Keeper Sepp Maier nach 114 Minuten einen Freistoß ins Netz gelegt. Die Partie schien entschieden, die Bayern geschlagen. Doch dann kam der große Moment des Georg Schwarzenbeck.
Sein Spezi Franz Beckenbauer musste hinterher immer wieder diese entscheidende Szene kommentieren, die Schwarzenbeck endgültig in den Bayern-Olymp hob: "Der Katsche hat sozusagen das Verbot der Mittellinienüberquerung ignoriert. Das war eigentlich auch schon wurscht. Wir lagen im Finale des Europapokals der Landesmeister gegen Atlético Madrid mit 0:1 zurück. 120 Minuten waren rum, und wir waren mit unserem Latein am Ende. Das Tor von denen war wie vermauert. Gleich würde der Schiri abpfeifen. Wir haben vor dem gegnerischen Strafraum den Ball hin- und hergeschoben. Und plötzlich taucht da, wie so ein Phantom, der Katsche auf. Er bekommt den Ball auch, es sind so ungefähr 20 Meter zum Tor. Wenn wir ehrlich sind: Der Katsche hat einfach nicht gewusst, was er tun soll. Da hat er mal geschossen."
In späteren Erzählungen von Mannschaftskameraden des Kaisers wurde die Distanz zum Tor immer größer - man sprach von 30 bis 40 Metern -, doch im Grunde zählte ja auch nur eins: Der Ball landete zum 1:1 im Netz. Katsche selbst hat diesen speziellen Augenblick in seiner Karriere übrigens stets gewohnt zurückhaltend geschildert: "Dass der Ball ins Tor gegangen ist, war schon ein Glück. Standen doch alle Spieler außer dem Maier-Sepp in der gegnerischen Hälfte. Aber heute bin ich schon recht stolz, dass auch mir so ein wichtiges Tor für meinen FC Bayern gelungen ist." Wie dem auch sei, es kam zu einer Entscheidungspartie, vor der Franz "Bulle" Roth äußerst optimistisch war: "Wir wussten: Ein zweites Spiel, das spricht für uns. Denn die Madrilenen waren so deprimiert, die haben die Einrichtung im Heysel-Stadion demoliert, die haben die Haken von den Bänken gerissen in der Umkleide." Und tatsächlich: Das Rückspiel gewannen die Bayern souverän und sicherten sich so kurz vor der WM im eigenen Land den europäischen Landesmeister-Titel.