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Scholz verweigert Putin sicheres Hinterland
n-tv
Vier Tage vergehen zwischen einer überraschenden Einlassung von Frankreichs Präsident Macron und einer weitreichenden Entscheidung von Bundeskanzler Scholz: Die Ukraine soll auch mit westlichen Waffen auf Russland feuern dürfen. Was das im Detail bedeutet, ist so unklar wie der Prozess der Entscheidungsfindung.
Emmanuel Macron war auf diesen Schritt vorbereitet: An der Seite seines Gastgebers, Bundeskanzler Olaf Scholz, hielt Frankreichs Präsident während der gemeinsamen Pressekonferenz am Dienstagabend auf Schloss Meseberg eine ausgedruckte Ukraine-Karte hoch. Die Grafik aus der Tageszeitung "Le Figaro" zeigte, wie Russland vom eigenen Territorium aus die nahegelegene ukrainische Metropole Charkiw angreift. "Wir denken, dass wir ihnen erlauben sollten, die Militärstandorte, von denen aus die Raketen abgefeuert werden, und im Grunde genommen die militärischen Standorte, von denen aus die Ukraine angegriffen wird, zu neutralisieren", sagte Macron. Das "Wir" bezog sich zu diesem Zeitpunkt noch auf die französische Regierung. Seit diesem Freitag ist klar: Auch der deutsche Regierungschef sieht das so.
Die Ukraine sei in den vergangenen Wochen "insbesondere im Raum Charkiw von Stellungen aus dem unmittelbar angrenzenden russischen Grenzgebiet" angegriffen worden, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit drei Tage nach dem deutsch-französischen Ministertreffen auf Schloss Meseberg mit. "Gemeinsam sind wir der Überzeugung, dass die Ukraine das völkerrechtlich verbriefte Recht hat, sich gegen diese Angriffe zu wehren", so Hebestreit. Hierfür könne Kiew auch die von anderen Ländern bereitgestellten Waffensysteme und Munition nutzen - "auch die von uns gelieferten". Vor allem die Namen der von Deutschland gelieferten Panzerhaubitze 2000 sowie des Raketenwerfers MARS II kursieren in diesem Zusammenhang.
An der Seite Macrons hatte Scholz noch verdruckst reagiert: "Die Ukraine hat völkerrechtlich alle Möglichkeiten für das, was sie tut", kommentierte der deutsche Regierungschef die Einlassungen Macrons. Diesbezügliche Absprachen zwischen Kiew und den westlichen Hauptstädten funktionierten bisher ordentlich. Ob sich der Kanzler damit der Linie des Präsidenten vollumfänglich, halb oder gar nicht angeschlossen hatte? Unklar. Im Nachgang wurde deshalb spekuliert: Hatte Macron Scholz übertölpelt? Das hätte so gar nicht gepasst zur zuvor drei Tage lang ausgiebig zelebrierten Freundschaft zwischen Berlin und Paris. Wenn Scholz aber vorgewarnt war, warum dann so viel Uneindeutigkeiten - die sich am folgenden Tag auch in den Einlassungen von Regierungssprecher Hebestreit fortsetzten?