Krieg, Flüchtlinge, Bildung: Gespräche in Senftenberg
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Auch am zweiten Tag seines Aufenthalts in Senftenberg gab es für den Bundespräsidenten viele Begegnungen - Stadtverordnete, Geflüchtete und eine Kaffeetafel mit der Stadtgesellschaft.
Senftenberg (dpa/bb) - Die Kaffeetafel war gut gedeckt im altehrwürdigen Parkhotel Senftenberg, doch die Gesprächspartner von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vergaßen vor lauter Fragen und eigenen Erzählungen, vom Kuchen abzubeißen. Es ging in fast privater Atmosphäre bei Themen wie Bildungspolitik, Integration von Geflüchteten und Ukraine-Krieg - wie vom Bundespräsidialamt gewünscht - "kontrovers" zu. Das Staatsoberhaupt nahm sich auch am zweiten Tag seines Besuchs in der Stadt als ehemaligem Lausitzer Zentrum der Braunkohle Zeit für Gespräche mit Bürgern, einem Verein, Unternehmern und Kommunalpolitik. Bei einer Stippvisite in der Stadt hielt er in kleinen Geschäften an, kaufte in einem Buchladen einen neuen Roman und kam dem Wunsch von Einwohnern nach einem gemeinsamen Foto nach.
Steinmeier hat Senftenberg mit seinen rund 23.000 Einwohnern bewusst für seine siebte "Ortszeit Deutschland" ausgesucht, jener Reihe, die ihn seit dem vergangenen Jahr immer wieder in kleinere Städte weit ab von Berlin führt. Er wolle genauer hinhören und hinsehen, Stimmungen mitbekommen, so der Bundespräsident. Nach der Corona-Pandemie müsse man das Gespräch miteinander wieder einüben. "Ich finde, das gelingt hier in Senftenberg", fasste Steinmeier zusammen. Die Stadt habe sich mit viel Kraft eine neue Zukunft aufgebaut. Nach 150 Jahren Bergbautradition könne man den Mut zum Wandel nicht hoch genug schätzen, sagte Steinmeier in der Stadtverordnetenversammlung.
Auch an der Kaffeetafel im Parkhotel ging es im Gespräch mit Bürgern um Strukturwandel und den Fachkräftemangel. "Wenn Neues wächst, verschwindet Altes oft schneller, als das Neue da ist. Deshalb muss Politik immer wieder nachweisen, dass der Strukturwandel gelingen wird", betonte Steinmeier. In der Runde gab es auch eine ausgedehnte Debatte über Ursachen und Verantwortung für den Ukraine-Krieg und über die Frage nach Verhandlungen mit Russland. Steinmeier lobte die Aufnahme der ukrainischen Geflüchteten in der Stadt, die es geschafft habe, sie in Wohnungen unterzubringen. Gleichzeitig verurteilte er einmal mehr den Angriff Russlands auf die Ukraine. Zu viel Vertrauen sei zerstört worden, als dass es nach dem Ende des Krieges eine gemeinsame europäische Friedenspolitik geben werde wie vor dem Krieg. "Ich glaube, dass die Kriegsschuldfrage selten so eindeutig zu beantworten war wie das jetzt der Fall ist", so Steinmeier.