
"Die Würde der Juden ist antastbar"
n-tv
Seit den Terrorangriffen der Hamas auf Israel nehmen antisemitische Straftaten in Deutschland zu. Michel Friedman schildert bei "Hart aber fair", was das für jüdische Menschen in Deutschland bedeutet - und warum er enttäuscht ist über die jüngste Solidaritätskundgebung für Israel.
"Ein Teil der deutschen Gesellschaft steht bestimmt zu Israel, ein größerer Teil wahrscheinlich, ein großer Teil eher nicht." Diese Einschätzung trifft der Publizist Michel Friedman bei "Hart aber fair" in der ARD. Es geht um die Situation im Nahen Osten und darum, was die Angriffe der palästinensischen Terrororganisation Hamas für Israel, aber auch für Deutschland bedeuten. Friedman kritisiert, dass erst zwei Wochen nach dem Terroranschlag auf die israelische Bevölkerung alle Parteien, Gewerkschaften und Kirchen dazu Stellung bezogen haben. Und er ist bestürzt darüber, dass an einer proisraelischen Demonstration am Brandenburger Tor in Berlin am Sonntag nur 10.000 Menschen teilgenommen haben. "Ich habe schon ganz andere Demonstrationen gesehen, wo man sich zu Recht engagiert hat, zum Beispiel gegen den russischen Angriff auf die Ukraine. Da habe ich mich gewundert, dass so viele Menschen demonstrieren. Und hier 10.000 Menschen! Wenn man sich überlegt, was für ein Zivilisationsbruch stattgefunden hat, und dass man dann einfach mal trauert und sich bekennt zu den Opfern. Ich hätte etwas mehr erwartet."
"Der Graben verläuft nicht zwischen Religionen", erklärt der Grünen- Vorsitzende Omid Nouripour, "der Graben verläuft zwischen denen, die für Demokratie einstehen und den Feinden der Demokratie." Die Diskussion werde in Deutschland oft geführt, als würde es im Nahen Osten um einen Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern gehen. Doch das sei falsch, sagt Nouripour. "Wir reden bei der Hamas von einer Terrororganisation, unter der auch die Palästinenser ganz massiv leiden. Und darum ist es notwendig, immer wieder zu betonen: Wir stehen für Empathie, und wir stehen dafür, dass Menschen nicht leiden." Vor allem stehe Deutschland hinter Israel. Das sei gemeint, wenn man von Staatsräson spreche, so Nouripour weiter. Würde Israel die Drohnen benötigen, die die Bundeswehr von dem Land geleast habe, oder Munition für die Marine, dann werde Deutschland liefern. Und Deutschland führe auch Gespräche, wenn es um die Befreiung der Geiseln gehe, die sich noch immer in den Händen der Hamas befänden. "Wir sind verpflichtet, alles zu tun, was wir können, um diese Geiseln freizubekommen", sagt Nouripour.
Dazu müsse man vor allem mit der Regierung von Katar reden, erklärt Nahostexperte Guido Steinbach. Katar sei das Land, das die Hamas hauptsächlich finanziere. Seit 2015 seien vermutlich etwa eine Milliarde Dollar von dort in den Gazastreifen geflossen, deutlich mehr als aus dem Iran. Zudem sei Katar eine Art Kommandozentrale der Hamas, und dort sei auch der Sitz des Chefs des Politbüros, des mächtigsten Anführer der Hamas. Steinbach geht davon aus, dass Israel bei einer Bodenoffensive im Gazastreifen versuchen werde, die militärische Infrastruktur und die Kommandozentralen der Hamas unschädlich zu machen. "Aber dann werden sie akzeptieren, dass ein gewisser Teil der Organisation sich ihrem Zugriff entzieht."