"Allein durch die Mauer ist er in die Weltgeschichte eingegangen"
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Walter Ulbricht, der erste Machthaber der DDR, gilt heute häufig als Witzfigur. Aber das Bild vom Spitzbart mit Fistelstimme ist ein Produkt der Nachkriegszeit: In der Weimarer Republik galt Ulbricht als guter Redner, sagt der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk. "Infrage gestellt wurde Ulbricht erst nach 1945. Vor allem von denen, die unter ihm besonders gelitten hatten."
Kowalczuk hat eine zweibändige Biografie über Ulbricht geschrieben, deren erster Band gerade erschienen ist. Er beschreibt den späteren Diktator darin "in seiner jeweiligen Zeit, ohne das Wissen von danach", wie er im Interview mit ntv.de sagt. So ist sein Buch mehr als eine Biografie, es ist eine deutsche Geschichte am Beispiel eines Mannes, der zu den wichtigsten Deutschen des 20. Jahrhunderts zählt - auch wenn die meisten von ihm heute kaum mehr als sein "yeah yeah yeah"-Zitat kennen dürften.
ntv.de: Sie zitieren in Ihrem Buch aus einem Aufsatz des etwa 20-jährigen Ulbricht: "Wenn wir uns mit der politischen Geschichte beschäftigen, so zu dem Zwecke, die Vorgänge der Gegenwart besser verstehen zu können. Die Geschichte ist gewissermaßen die Lehrmeisterin des Politikers." Hat Ulbricht recht? Und ist das ein Grund, sich mit ihm zu beschäftigen?
Ilko-Sascha Kowalczuk: Lehrmeisterin würde ich nicht sagen, aber man kann aus der Geschichte viel lernen. Politiker wie Adenauer, Brandt, Schmidt und Kohl haben wie selbstverständlich historisch argumentiert. Mit der Generation Schröder, Lafontaine, Fischer ist das weggebrochen.