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Ökonom fordert Kurswechsel bei "überhasteten" EU-Sanktionen
n-tv
Die EU hat mittlerweile zahlreiche Sanktionspakete gegen russische Staatsbürger verabschiedet. Wirksam sind die aber in ihrer derzeitigen Form nicht, beklagt der Elitenforscher Jakowlew. Mit anderen Mitteln könnte die EU jedoch einen Keil zwischen die Oligarchen und den Kreml treiben.
Russlandexperten fordern ein Umdenken bei den Sanktionen, die von der Europäischen Union gegen führende russische Geschäftsleute verhängt wurden. Brüssel habe die Sanktionierungen nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine "überhastet vollzogen, ohne klares Verständnis ihrer langfristigen Wirkungen", kritisiert der Ökonom und Elitenforscher Andrej Jakowlew gegenüber dem "Spiegel". Bis 2022 war Jakowlew Professor in Moskau, inzwischen forscht er als Wissenschaftler in Harvard sowie am Hanse-Wirtschaftskolleg in Delmenhorst.
Das Sanktionsregime der EU sei ein "besonders ineffektiver und unglücklicher Mechanismus". Kontosperrungen und Einreiseverbote träfen viele russische Milliardäre zwar hart. Gleichzeitig habe die EU es aber versäumt, den Oligarchen mögliche Exit-Optionen aufzuzeigen. Klare Bedingungen, bei deren Erfüllung eine Aufhebung der Sanktionen winke, würden helfen, einen Keil zwischen Russlands Wirtschaftselite und den Kreml zu treiben. Bislang hätten die Sanktionen eher das Gegenteil bewirkt: Weil ihre Investitionen im Westen eingefroren wurden, engagieren sich viele Milliardäre wieder stärker in Russland.
Russland könne wegen seines Status als Atommacht wohl niemals so niedergerungen werden wie etwa Nazideutschland 1945, so Jakowlew. Europa und die USA benötigten deshalb alternative Konzepte für einen politischen Wandel in Russland. "Dabei könnten Eliten eine Rolle spielen, die heute noch mit Sanktionen belegt sind", sagt Jakowlew.