Dschenin - die tickende Zeitbombe
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Die Stadt, die für Palästinenser als Symbol des Widerstandes gilt, ist für Israel eine Hochburg des Terrors. Trotz angespannter Lage hoffen Friedensaktivisten auf ein Ende des Konflikts.
Die palästinensische Theaterproduktion "Stolen Dream" erzählt von einem jungen Mann im Westjordanland, der ans Meer will. Absperrungen der israelischen Besatzer sowie Korruption in der palästinensischen Autonomiebehörde machen die Verwirklichung seines Traums unmöglich. Das Drama stammt von der Jugendschauspielgruppe des Freiheitstheaters im Flüchtlingslager in Dschenin und ist eine Hommage an seinen Gründer Juliano Mer Khamis.
Der Sohn einer israelischen Jüdin und eines christlichen Palästinensers, der in Kunst einen revolutionären Akt des gewaltfreien Widerstands sah, wurde 2011 vor dem Schauspielhaus von einem Islamisten erschossen. Trotz des Anschlages galt der Ort im Norden des Westjordanlands - der während der zweiten Intifada bis 2005 eine Hochburg der Selbstmordattentäter war - in den letzten Jahren als Musterbeispiel für den Aufschwung palästinensischer Städte. Mittlerweile hat er sich erneut zum Zentrum militanter Gruppen entwickelt. Von den jüngsten Anschlägen in Israel, bei denen 14 Menschen getötet wurden, stammten zwei Attentäter aus Dschenin.
"Dschenin gleicht einem verwelkten Baum", sagt Ahmad al-Tubasi, der künstlerische Leiter des Freiheitstheaters. "Das Wirtschaftswachstum hat die politische Situation übertüncht." Tatsächlich kamen die Veränderungen in der mit 50.000 Einwohnern kleinen Stadt nicht plötzlich. Zwar ist sie einer der konservativsten im Westjordanland, doch die ökonomische Verbesserung entspannte die Situation, da es den Terrorismus entwurzelte. Corona beendete diese Erfolgsgeschichte. Aus Angst vor einer Ausbreitung der Pandemie schloss Israel die Kontrollpunkte und niemand konnte mehr in die Palästinensergebiete ein- oder ausreisen. Dadurch fehlten die Devisen der israelischen Araber, die sonst zum Einkaufen nach Dschenin kamen. Auch durften Palästinenser nicht mehr zum Arbeiten nach Israel, was den Unmut verstärkte und radikalen Kräften - wie Hamas, dem Islamischen Dschihad und den wiedererwachten Al-Aksa-Brigaden - in die Hände spielte.