Warum die Krim im Ukraine-Krieg von entscheidender Bedeutung ist
Frankfurter Rundschau
Die Ukraine kommt bei ihrer Gegenoffensive im Süden langsam voran. Ziel ist, die Landbrücke zur Krim abzuschneiden. Die Kämpfe könnten eskalieren.
Kiew/Moskau – Seit einiger Zeit scheint die Ukraine ihre mühsam gestartete Gegenoffensive im Ukraine-Krieg mit deutlich mehr Macht vorantreiben zu können. So erzielte die ukrainische Armee eigenen Angaben zufolge in den vergangenen Tagen mehrere Erfolge bei ihren Angriffen auf die stark gesicherten russischen Verteidigungslinien im südlichen Gebiet Saporischschja. Ziel ist, zum noch etwa 80 Kilometer entfernten Asowschen Meer vorzustoßen und damit die Landverbindung zur Krim abzuschneiden oder zumindest so weit vorzurücken, dass die Halbinsel in Reichweite der ukrainischen Artillerie gerät.
Die Gegenoffensive der Ukraine ziele offensichtlich darauf ab, die sogenannte Landbrücke zwischen der russisch-besetzten Ukraine und der Halbinsel Krim zu durchtrennen, sagte der ehemalige US-General Ben Hodges dem US-Nachrichtenmagazin Newsweek. Sollte der Ukraine dies gelingen, wäre dies für Russland ein herber Rückschlag – logistisch, vor allem aber auch symbolisch.
Ein zweites Ziel für die Ukraine ist die rund 19 Kilometer lange Kertsch-Brücke zwischen Russland und der von Moskau besetzten Krim. Sollte die Kertsch-Brücke wieder beschädigt werden können, so Hodges, würden sich die Verhältnisse noch einmal entscheidend ändern. Auch US-Militärexperte Dan Rice hatte zuvor schon von einem „Zwei-Brücken-Angriff“ der Ukraine gesprochen. Im August war es an der Brücke von Kertsch erneut zu Explosionen gekommen. Bereits in der Vergangenheit hatte das ukrainische Militär die Brücke durch Angriffe mehrmals beschädigen können.
„Ich höre manchmal vom Pentagon, dass wir helfen wollen, die Russen zurückzudrängen“, so Hodges. „Nein, es geht nicht darum, sie zurückzudrängen. Es geht darum, die Krim zu isolieren und dann in der Lage zu sein, genügend Langstreckenwaffen aufzustellen.“ In dem Falle wäre es für die russische Marine und die russische Luftwaffe nicht mehr möglich, von dort aus zu operieren.Ukrainische Streitkräfte kämpfen sich derzeit ihren Weg durch die befestigten Verteidigungslinien in der Südukraine. Dabei müssen sich Kiews Einheiten unter Artilleriefeuer einen Weg durch ausgedehnte Minenfelder bahnen, was der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als einen Grund dafür nennt, warum die Operation „langsamer als gewünscht“ verlaufe.
Die Krim ist für beide Seiten im Ukraine-Krieg von enormer Bedeutung. Immer wieder hat Kiew seine Entschlossenheit betont, die Krim militärisch zurückerobern zu wollen. „Es begann mit der Krim, es wird mit der Krim enden“, sagte Selenskyj im Sommer 2022. Dagegen hat sich der Westen zuletzt häufiger besorgt über diese Pläne gezeigt. So glauben die USA wohl nicht ernsthaft an einen ukrainischen Erfolg. Im Februar sagte US-Außenminister Antony Blinken, dass die Kontrolle über die Krim eine rote Linie für den Kreml sei.