Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche in Frankreich: Beichtgeheimnis unter Beschuss
Frankfurter Rundschau
In Frankreich wird nach Bekanntwerden von 330 000 Missbrauchsfällen der Ruf nach einem kollektiven Rücktritt der Bischofskonferenz lauter.
Paris - Offiziell folgte der Vorsitzende der französischen Bischofskonferenz, Eric de Moulins-Beaufort, einer „Einladung“ ins Innenministerium. Die Pariser Medien sprechen aber von „Vorladung“ – das ist mehr als eine Nuance. Der Bischof von Reims hatte gar keine andere Wahl, als am Dienstag bei Innenminister Gérald Darmanin anzutraben, um sich die Leviten lesen zu lassen.
Moulins-Beaufort hatte in einem Interview erklärt, die priesterliche Schweigepflicht im Beichtstuhl bleibe in jedem Fall aktuell – und sie stehe über dem republikanischen Recht. Konkret ging es um die Frage, ob ein Beichtvater einen bekennenden Verbrecher – etwa einen pädophilen Priester – anzeigen müsste. Vor einer Woche hatte eine unabhängige Untersuchungskommission erschreckende Zahlen vorgelegt: Rund 3000 Priester und kirchliche Laien sollen in den vergangenen 70 Jahren nicht weniger als 330.000 Minderjährige sexuell missbraucht haben.
Zur Abhilfe regte die Kommission an, das Beichtgeheimnis zu reformieren. Moulins-Beaufort aber hält daran fest: Es erlaube Opfern, einen Ort des Vertrauens zu finden, wo sie einen ersten Schritt hin zu einer Anzeige unternehmen könnten. Die Aussage erinnerte an die Behauptung radikaler Imame, die Scharia stehe über französischem Recht.