MI6-Chef äußert sich zu Wagner-Aufstand: Darum soll Putin den Deal mit Prigoschin eingegangen sein
Frankfurter Rundschau
Der Chef des britischen Geheimdienstes erklärt, warum Putin den Wagner-Chef Prigoschin schnell begnadigte und Tage nach dem Aufstand sogar zum Tee einlud.
Prag – Der Chef der Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, war zu Beginn des Aufstands am 24. Juni ein Verräter, doch schon am Abend des gleichen Tages begnadigte der russische Präsidente Wladimir Putin den Anführer der Rebellion. So beschreibt Richard Moore, der Chef des britischen Geheimdienstes MI6, die Abläufe im Kreml – und erklärt, warum Putin so handeln musste.
Der Chef des MI6 hält selten Reden. Am Mittwoch (19. Juli) in Prag machte Richard Moore in der britischen Botschaft in Prag eine Ausnahme und gab Einblicke in das Rational, das wohl hinter Putins Handeln am Tag des Wagner-Aufstands gesteckt haben könnte. „Wenn man sich Putins Verhalten an diesem Tag anschaut“, so Moore, „begann Prigoschin, glaube ich, als Verräter beim Frühstück.“ Beim Abendessen sei er bereits begnadigt worden und einige Tage später habe ihn Putin zum Tee eingeladen, erklärte der Geheimdienstchef laut einem CNN-Bericht. Selbst für den Experten sei es schwierig zu interpretieren, „wer drin ist und wer draußen“, räumte Moore unter Bezugnahme auf die engsten Kreml-Kreise ein. Westliche Geheimdienste hatten sich zunächst mit Erklärungen zur Meuterei in Russland zurückgehalten.
Der britische Geheimdienstchef machte am Mittwoch nun deutlich, wie schockierend die Schwäche war, die Putin an diesem Tag zeigte. „Er hat sich nicht wirklich gegen Prigoschin gewehrt“, analysiert Moore. Der Kremlchef sei einen Deal eingegangen, „um seine Haut zu retten, indem er die Dienste des belarussischen Machthabers in Anspruch genommen hat“ – eine Anspielung auf die Vermittlung des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko in dem Konflikt. Zwar wisse auch der MI6-Chef selbst nicht, was in Putins Kopf vorgehe, sei sich aber sicher, dass der russische Präsident erkannt habe, „dass im Staate Dänemark – um Hamlet zu zitieren – etwas zutiefst faul ist, und dass er diesen Handel eingehen musste.“ Worin genau der Deal bestand, dazu machte auch Moore keine genaueren Angaben. Die Wagner-Truppe hatte ihren Marsch auf die russische Hauptstadt Moskau am Tag des Aufstands überraschend abgebrochen.
Aus Sicht des britischen Geheimdienstes ist die Wagner-Gruppe momentan nicht im Ukraine-Krieg tätig, zumindest Teile der Söldner hielten sich wohl in Belarus auf. Auf die Frage des US-Nachrichtensenders CNN, ob Prigoschin „am Leben und gesund“ sei, gab Richard Moore an, dass sich der Wagner-Chef nach Erkenntnissen des MI6 noch immer „herumtreibe“. Prigoschin selbst hatte in einem am Mittwoch auf Telegram veröffentlichten, unverifizierten Video die Söldner seiner Privatarmee in Belarus begrüßt und ihnen für ihren Einsatz in Russland gedankt. „Was an der Front vor sich geht, ist eine Schande, an der wir uns nicht beteiligen müssen“, deutete der Anfährer der Privatarmee das Ende des Kampfeinsatzes seiner Truppe in der Ukraine an. (Bettina Menzel)