
"Müssen Russland beim Klima am Tisch haben"
n-tv
Mark Lawrence ist hauptberuflich Atmosphärenphysiker. In der neuen Folge des "Klima-Labor" erklärt er aber nicht - wie geplant - ob Geo-Engineering der Sonne im Kampf gegen den Klimawandel eine gute oder eine schlechte Idee ist und wie man das überhaupt umsetzen würde. Stattdessen spricht der Wissenschaftliche Direktor am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) in Potsdam über den Krieg in der Ukraine. Der russische Einmarsch sei ein Augenöffner, sagt der gebürtige US-Amerikaner, der seit vielen Jahren in Deutschland lebt, forscht und lehrt. "Es ist viel Vertrauen verloren gegangen." Deshalb müsse man jetzt alles überdenken, angefangen bei der Energieversorgung bis hin zur internationalen Zusammenarbeit – auch in Klimafragen.
ntv.de: Sie beschäftigten sich normalerweise mit der Frage, ob Geo-Engineering der Sonne im Kampf gegen den Klimawandel eine gute oder eine schlechte Idee ist, aber lassen Sie uns über die Ukraine sprechen: Was bedeutet der Krieg für Klima und Klimaschutz?
Mark Lawrence: In der Tat, Themen wie Klimaschutzmaßnahmen rücken angesichts der Lage in der Ukraine in den Hintergrund. Aber die Situation ist auf zweierlei Weise wichtig: erstens, die Energiefrage. Alle wissen, dass ein Großteil unserer Gaslieferungen und ein wichtiger Teil unserer Öllieferungen aus Russland kommen. Durch den Konflikt müssen wir diese Lieferungen sanktionieren, drosseln oder sogar stoppen. Das führt zur Frage: Was wird das ersetzen? Gehen wir in Richtung Energieeffizienz oder werden die fehlenden Lieferungen durch längere Laufzeiten von Kohlekraftwerken ersetzt? Beziehen wir das Gas von irgendwo anders? Das ist schwierig einzuschätzen, weil es eine enorm dynamische Lage ist. Der Krieg ist erst wenige Wochen alt. Das ist kein Zeitrahmen für klare wissenschaftliche Analysen.
Die andere Seite ist die internationale Zusammenarbeit: Es war ein Selbstverständnis in Europa, dass wir wirklich lange nach diplomatischen Lösungen suchen, bevor eine militärische Auseinandersetzung überhaupt zur Debatte steht. Durch seinen Angriff auf die Ukraine stellt Russland das infrage. Und natürlich hat das Auswirkungen auf andere Themen wie den Klimaschutz oder Klimaverhandlungen, die durch die Vereinten Nationen geleitet werden.