Lässt Deutschland 28.000 Belarussen im Stich?
n-tv
Mit einem neuen Erlass will der belarussische Diktator Lukaschenko seine Gegner aus dem Ausland zurück nach Belarus holen. Dort droht vielen von ihnen lange Haft. Deutschland kann Zehntausenden im Land lebenden Belarussen theoretisch helfen. Doch es gibt einen großen Haken.
Als ihre Oma in diesem Sommer in Belarus starb, reiste Alina K. nicht zur Beerdigung. Die Belarussin, die seit fast zwanzig Jahren in Deutschland lebt, hatte Angst, bei der Einreise in ihr Heimatland festgenommen zu werden. Diese Angst teilen Hunderttausende ihrer Landsleute, die im Ausland leben und mit dem Regime des Diktators Alexander Lukaschenko nicht einverstanden sind. Willkürliche Festnahmen, Verfolgung aus fadenscheinigen Gründen, Folter und Tod hinter Gittern - das ist der Alltag in der Ex-Sowjetrepublik, die Lukaschenko seit 29 Jahren mit eiserner Hand regiert. Lange konnten sich zahlreiche Belarussen, die ihr Land verlassen haben, im Ausland in Sicherheit wiegen. Spätestens seit dem 4. September ist damit Schluss.
An diesem Tag beunruhigte eine Nachricht aus der Heimat die belarussische Diaspora auf der ganzen Welt. Lukaschenko verkündete einen Erlass, der es diplomatischen Vertretungen im Ausland verbietet, Reisepässe und andere Dokumente auszustellen. Wer einen neuen Pass braucht - oder etwa Unterlagen für die Eheschließung, Immobiliengeschäfte und vieles mehr -, kann dies nicht mehr in einer Botschaft beantragen, sondern muss nach Belarus reisen.
So will Lukaschenko seine Gegner aus dem Ausland locken, um sich an ihnen zu rächen. Für viele Belarussen, die nach der Niederschlagung der friedlichen Proteste 2020 das Land verlassen haben, aber auch für die, die bereits länger im Ausland leben und sich mit der Demokratiebewegung solidarisiert haben, ist der Weg in die Heimat oft auch gleichzeitig ein direkter Weg ins Gefängnis.