"Deutschland hat sich bei Sicherheitspolitik diskreditiert"
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Im Wahlkampf in Warschau macht die rechtsnationale Regierungspartei PiS Stimmung gegen Brüssel und Berlin. Einige Ressentiments haben aus polnischer Sicht nachvollziehbare Gründe, sagt Dagmara Jajeśniak-Quast, Direktorin des Zentrums für Interdisziplinäre Polenstudien, im Interview mit ntv.de. Die Wirtschaftshistorikerin lehrt an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Sie erklärt die Skepsis der Polen zum einen durch die traumatischen Erfahrungen unter Hitlerdeutschland und der Sowjetunion. Zum anderen habe Deutschland als führende Nation in der EU vor dem Beginn des Ukraine-Kriegs Fehler gemacht, so Jajeśniak-Quast.
ntv.de: Beim EU-Gipfel hat Polen mit Ungarn erneut klar gemacht, dass es den Asylkompromiss der EU ablehnt. Warschau wehrt sich dagegen, dass Länder, die sich nicht an der Verteilung von Flüchtlingen beteiligen, pro nicht aufgenommenem Migranten 20.000 Euro Strafe zahlen müssen. Kann die PiS bei den Wahlen im Herbst mit dieser Haltung punkten?
Dagmara Jajeśniak-Quast: Migrationsfragen werden in der polnischen Gesellschaft heftig diskutiert. Dabei herrscht Konsens, dass die polnische Gesellschaft für die Leistung, die sie jetzt gebracht hat, bei der Migration aus der Ukraine, anerkannt werden möchte. Bei der Aufnahme von Flüchtlingen ist Polen kulturelle Nähe und Freiwilligkeit wichtig. Nach Beginn des Krieges sind die polnischen Bürger über den Schatten gesprungen und haben ihre Häuser geöffnet. Sie sind aber skeptisch, wenn Brüssel ihnen etwas aufzuzwingen will, unabhängig davon, ob sie eine Nähe zur Regierungspartei haben oder nicht. Die Sprache und Religion von Migranten spielen nach wie vor eine Rolle in der polnischen Gesellschaft, stärker bei den Anhängern der Regierungspartei, aber auch bei der Opposition.
Warum ist diese kulturelle Nähe von Migranten so wichtig für die Polen?