Der Krieg kommt auf der Krim an
n-tv
Nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim 2014 ging das Alltagsleben auf der Halbinsel vergleichsweise unverändert weiter. Doch seit Beginn der großen Invasion haben die Repressionen zugenommen, und auch die militärischen Angriffe lassen sich nicht länger ignorieren.
"Es ist eine komische Realität. Sirenen des Luftalarms gibt es auch dann nicht, wenn die Flugabwehr ganz offensichtlich Drohnen bekämpft und zumindest die Trümmer überall fallen könnten", sagt Andrej, ein Kleinunternehmer aus Simferopol auf der Krim, der eigentlich anders heißt. "Und dann erlebt man Szenen, wie zum Beispiel, dass zwei Männer auf einer Bank sitzen, sich den Kampf gegen die Drohnen in der Luft anschauen und auf die Flugabwehr trinken. So etwas fasst das aktuelle Leben auf der Krim eigentlich recht gut zusammen."
Erst am vergangenen Montag war es in Sewastopol, dem Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte, wieder unruhig. Im Netz kursierten Aufnahmen, die die Explosion einer wahrscheinlich ukrainischen Marinedrohne zeigten. Das russische Verteidigungsministerium erklärte zwar erwartungsgemäß, der Angriff sei erfolgreich abgewehrt worden. Ob das aber tatsächlich der Fall war, bleibt offen. Jedenfalls ist es eine neue Realität, die seit dem 24. Februar 2022 auf der im März 2014 völkerrechtswidrig annektierten Krim herrscht. Dabei geht es nicht nur um Vorfälle wie die Explosion auf einem Militärflugplatz bei Saky im August, die Sprengung der Krim-Brücke im Oktober oder den brennenden Treibstofftank in Sewastopol am vergangenen Samstag. Weil über die Halbinsel die russische Kriegslogistik in der Südukraine läuft, passieren kleinere Angriffe wie der am Montag so gut wie wöchentlich.
Zwischen März 2014 und Februar 2022 sah das Alltagsleben auf der Krim vergleichsweise normal aus. Die Annexion brachte für die Halbinsel zwar durchaus Veränderungen: Westliche Firmen verließen die Krim aufgrund der Sanktionen, es gab Schwierigkeiten mit der Wasser- und der Stromversorgung, die früher über das ukrainische Festland lief, und es mussten völlig neue Logistikketten über Russland aufgebaut werden. Hinzu kamen starke Repressionen gegen politisch aktive Krimtataren und Ukrainer, wenn klar war, dass die mit der russischen Annexion kaum etwas anfangen konnten. Für den durchschnittlichen Krim-Bewohner veränderten sich jedoch höchstens Kleinigkeiten. Die Geschäfte waren voll und nur wenige machten sich Gedanken darüber, ob der Status quo auf der Halbinsel sich noch einmal ändern könnte. Das war in Kiew ähnlich: Mit Diskussionsformaten wie der sogenannten Krim-Plattform wollte man zwar unterstreichen, dass das Problem der Krim zu den Prioritäten der ukrainischen Regierung gehört. Eine Rückeroberung der Halbinsel war aber kein ernsthaftes Thema.