Chaos bei den Linken: Keine Kandidaten – und was macht Wagenknecht?
Frankfurter Rundschau
Die Linke steht vor einer Zerreißprobe. Die Wahl der Fraktionsspitze ist vertagt, Spekulationen um Sahra Wagenknechts Parteiwechsel reißen nicht ab.
Berlin – Die Linke hat die Wahl ihrer neuen Fraktionsspitze verschoben. Die für den kommenden Montag (4. September) geplante Neubestimmung der Fraktionsführung sei „einmütig“ vertagt worden, sagten die derzeitigen Vorsitzenden Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch in Berlin, die damit zunächst weiter im Amt bleiben. Zuvor hatte bereits Parlamentsgeschäftsführer Jan Korte die Entscheidung bekannt gegeben, die im Rahmen der routinemäßigen Herbstklausur der Fraktion getroffen wurde.
Sowohl Mohamed Ali als auch Bartsch hatten angekündigt, dass sie nicht erneut antreten wollen. Dabei werde es auch bleiben, bekräftigten beide. Er werde sich aber auch nicht „vom Acker machen“, sagte Bartsch. Die Auswahl neuer, aussichtsreicher Kandidatinnen oder Kandidaten ist angesichts heftiger Auseinandersetzungen in Partei und Fraktion offensichtlich schwierig. „Eine tragfähige Lösung ist noch nicht gefunden“, räumte Mohamed Ali ein, „aber wir werden weiter daran arbeiten“.
„Dass es unterschiedliche Positionen gibt, ist nicht neu“, so Bartsch. Spekulationen über ein Auseinanderbrechen der Linken wies er jedoch zurück. „Es wird keine Spaltung geben, das wird garantiert nicht der Fall sein“, sagte der Fraktionschef.
Weiterhin völlig offen ist trotz dieser Aussage von Bartsch, ob die frühere Fraktionschefin Sahra Wagenknecht die Linke verlässt, um eine eigene Partei zu gründen. Zu ihren Anhängerinnen und Anhängern in der Fraktion wird auch Mohamed Ali gerechnet. Sie hatte ihre Rückzugsankündigung denn auch mit heftiger Kritik an der Parteispitze um Janine Wissler und Martin Schirdewan verbunden. Bartsch hatte dagegen als Grund auf sein Alter verwiesen.
Es ist noch unklar, ob Wagenknecht tatsächlich die Gründung einer neuen Partei in Erwägung zieht. Wenn dies jedoch geschehen sollte, könnte dies erhebliche Auswirkungen auf die anderen politischen Parteien haben, insbesondere auf die AfD und die Linkspartei. Einer aktuellen Umfrage des Marktforschungsinstituts Insa zufolge können sich zwar 41 Prozent der Befragten nicht vorstellen, die Linke zu wählen. Aber immerhin 29 Prozent der Befragten schließen eine solche Wahl nicht kategorisch aus. Insa sieht das größte Potenzial für eine Partei unter der Führung von Wagenknecht sowohl im linken als auch im rechten politischen Spektrum, abseits der politischen Mitte.