Briefwechsel Franz Fühmann/Christa Wolf: Im Satzgebirge und in finsteren Zeiten
Frankfurter Rundschau
Zum 100. Geburtstag von Franz Fühmann: Die erweiterte Ausgabe des Briefwechsels mit Christa Wolf erzählt von einer besonderen Freundschaft und wichtigen Kapiteln der DDR-Geschichte.
Viele Adressaten und Adressatinnen aus der Literaturszene finden sich in den Brief-Bänden, die bereits von Christa Wolf (bei Suhrkamp) und Franz Fühmann (bei Hinstorff) erschienen sind. Die beiden, in der DDR vom Lesepublikum geliebt, pflegten Kontakte und Freundschaften, tauschten sich über literarische Fragen aus. Schält man aus den jeweiligen Konvoluten den direkten Austausch Wolf–Fühmann heraus, bemerkt man schnell dessen besonderen Charakter. Sie waren sich so nah in den Fragen, die sie ans eigene Werk und an die Gesellschaft stellten. Sie waren eng beieinander im Kampf gegen Dogmatismus.
Zum 100. Geburtstag von Franz Fühmann, der am 15. Januar 1922 im Riesengebirge geboren wurde und 1984 in Ost-Berlin starb, kommt der bereits 1998 erschienene Briefwechsel mit Christa Wolf in einer erweiterten Ausgabe heraus. Bei der Erstfassung lebte die Autorin von „Kindheitsmuster“ und „Kein Ort. Nirgends“ noch, sie schrieb selbst das Nachwort, zum Beispiel mit diesem Satz: „Die Unkenntnis über die konkreten Umstände, unter denen in der DDR Literatur entstand und Schriftsteller miteinander umgingen, ist ein Grund für mich, diese authentischen Zeugnisse zur Verfügung zu stellen, auch wenn ich nicht annehmen kann, dass schon die Zeit dafür ist, sie ruhig wahrzunehmen.“
Was danach kam, deutet auf ihre schlechten Erfahrungen: „Zu tief haben sich Vorurteile – genauer Nach-Urteile – über die Rolle derjenigen Schriftsteller eingefressen, die in der DDR geblieben sind, zu sehr werden diese Vorurteile noch gebraucht und beeinträchtigen das Vermögen zu differenzieren.“ Christa Wolf starb am 1. Dezember 2011, sie hatte noch erlebt, wie der „Literaturstreit“ im vereinigten Deutschland in mehreren Etappen auch Teile ihres Werks in Frage stellte. Fühmann war das erspart geblieben.
Der Band „Monsieur, wir finden uns wieder“ ist heute noch besser geeignet, von dieser besonderen Freundschaft zu erzählen, von zweien, die sich stützten und manchmal zu bremsen versuchten. Umfangreiche Anmerkungen zu fast jedem Brief durch die Herausgeberin Angela Drescher (Christa Wolfs langjährige Lektorin) ordnen Zeit und Gegenstände ein. Sie kannten sich schon eine Weile, bevor sie Briefe und Karten schrieben, manchmal rutscht auch eine Botschaft von Gerhard Wolf dazwischen, wenn er einen Text von Fühmann erbittet oder seine Lektüre-Erfahrung mitteilt.
Schon im zweiten Brief im November erwähnt Christa Wolf „schlechte Zeiten für die Nerven“ und spielt auf die Niederschlagung des Prager Frühlings und die folgenden Repressionen an. Schlechte Zeiten kommen von da an immer wieder, die finstersten beginnen, als Wolf Biermann ausgebürgert wird und beide zu den Erstunterzeichnern des Protests gehörten. Drei Jahre später wenden sie sich gegen den Ausschluss von neun Autoren wie Stefan Heym, Klaus Schlesinger und Adolf Endler aus dem Schriftstellerverband der DDR. Sie schicken sich ihre Briefe an die Verbandsleitung, an den Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker, an den Kulturminister im Durchschlag – wie eine Vergewisserung, nicht alleine zu sein.