Anschlag von Hanau: Widersprüche bei Verfahren zu Notausgang
Frankfurter Rundschau
Hinterbliebene der Opfer des rassistischen Anschlags von Hanau haben Beschwerde gegen die eingestellten Ermittlungen zum Notausgang in der Arena-Bar eingelegt.
Hanau – Tatortbefundberichte haben in Strafverfahren eine große Bedeutung. Wenn es zu einer Hauptverhandlung kommt, sind sie wichtige Beweismittel, auch weil die Dokumente vergleichsweise objektiv sind und oft kurz nach der Tat entstehen. Im Bericht zum zweiten Tatort des rassistischen Anschlags von Hanau, der Arena-Bar mit angrenzendem Kiosk, steht: „Betritt man die Bar durch die Eingangstür, so befinden sich linksseitig vier Automaten, geradeaus gelangt man zu einem Lagerraum von welchem zwei weitere Türen abgehen. Diese zwei Türen waren jedoch bei der Tatortaufnahme verschlossen.“ Eine davon war der Notausgang.
Die beiden Sätze sind aber so gut wie wertlos geblieben. Die Staatsanwaltschaft, die nach einer Anzeige von Opfer-Angehörigen und Überlebenden wegen des Vorwurfs eines bewusst verschlossenen Notausgangs und fahrlässiger Tötung ermittelte, stellte das Verfahren im August 2021 ein – mangels hinreichenden Tatverdachts. So sei zum Beispiel aufgrund widersprüchlicher Zeugenaussagen unklar, ob die Tür am Abend des 19. Februar 2020 tatsächlich zugesperrt war.
Inzwischen hat Rechtsanwältin Antonia von der Behrens Beschwerde gegen die Verfahrenseinstellung eingelegt. Jetzt entscheidet die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt, ob die Ermittlungen doch fortgesetzt werden. Die Betroffenen fordern aufzuklären, ob der Notausgang an jenem Abend und/oder grundsätzlich verschlossen war. Sie sehen eine ganze Reihe von Auffälligkeiten in den bisherigen Aussagen und Ergebnissen.
Etwa dass Zeug:innen, die dem Betreiber nahestünden, konform aussagten, die Tür sei immer offen gewesen. Das widerspreche sogar der Aussage des Chefs, laut der er manchmal selbst abschloss, weil Gäste durch die Tür gegangen seien, um draußen zu rauchen. Dies, argumentiert der Rechtsbeistand der Hinterbliebenen, sei in einer Raucherbar allerdings auch nicht plausibel.
In der Arena-Bar wurden zwei der neun Opfer ermordet: Said Nesar Hashemi und Hamza Kurtović. Said Etris Hashemi, Said Nesars älterer Bruder, wurde lebensgefährlich verletzt, ein weiterer junger Mann schwer. Sie hatten hinter einer Säule Schutz gesucht, rannten nicht in Richtung Notausgang – weil nach Angaben von Said Etris Hashemi und weiteren Zeug:innen bekannt war, dass die Tür stets versperrt gewesen sei. Ein Vorwurf lautete, es habe vermutlich Absprachen mit der Polizei gegeben, damit diese bei Razzien hinten nicht sichern musste. Der Betreiber hat diesen und andere Vorwürfe zurückgewiesen, ebenso wie die Polizei.