„Verstand verloren“: Dänemark hebt alle Corona-Maßnahmen auf
Frankfurter Rundschau
Dass in Dänemark keinerlei Corona-Regeln mehr gelten, löst im Ausland heftige Reaktionen aus.
Kopenhagen – Es war nicht allen wohl in Dänemark, als die Regierung zum 1. Februar sämtliche Corona-Restriktionen und die Einstufung des Virus als „gesellschaftskritisch“ aufhob. Spielten Behörden und Politiker:innen hier doch zu waghalsig Roulette? Knapp drei Wochen später herrscht im Land und vor allem in den Krankenhäusern Einigkeit darüber, dass der Schritt richtig war. Corona-Zahlen kommen in den Medien nur noch ziemlich weit hinten vor. Die Omikron-Variante hat sich zwar sehr schnell ausgebreitet, ist aber wegen der milden Verläufe in den Kliniken beherrschbar.
Umso heftiger schlugen diese Woche alarmierte Rufe aus Ländern mit wesentlich vorsichtigeren Strategien ein. „Sind wir wirklich sicher, dass wir alle Covid-Restriktionen abschaffen wollen?“, fragte der US-Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman auf Twitter und präsentierte eine Grafik mit einem herausstechendem Anstieg der neu bestätigten Infektionen in Dänemark.
Der Epidemiologe und Gesundheitsökonom Eric Feigl-Ding machte Regierungschefin Mette Frederiksen persönlich verantwortlich für die in seinen Statistiken ebenfalls dramatisch gestiegenen Todesfälle in Verbindung mit dem Coronavirus: „Dänemarks politische Führung hat komplett ihren verdammten Verstand verloren, alle Covid-19-Einschränkungen aufzuheben.“ Ob die Ministerpräsidentin sich klar darüber sei, welches Urteil die Geschichte über sie fällen werde?
Das Kopenhagener Seruminstitut stuft Feigl-Dings Tweets, gelesen und weiterverbreitet von 700.000 Followern, als bewusste „Desinformation“ ein. „Er richtet seinen Fokus ausschließlich auf Krankenhauseinlieferungen und Todesfälle. Außer Acht bleibt, wie viele Menschen auf der Intensivstation liegen oder künstlich beatmet werden.“ Zuletzt waren das tatsächlich nur 31 belegte Intensivbetten und 14 künstlich beatmete Menschen, bei 40.600 neu Infizierten und 1064 neu aufgenommenen Patient:innen.
Personallücken durch Infektionen mit der Omikron-Variante und nach wie vor geltende Regeln zur Isolierung sind für die Dän:innen im Moment das größte Problem. Es wird im Vergleich etwa zu Deutschland eher gelassen hingenommen, weil das Ende absehbar ist. Die seit einer Woche sinkenden Infektionszahlen deuteten auf beginnende Herdenimmunität hin, hieß es Mitte der Woche aus dem Seruminstitut.