„Geht zu weit“: Politik und Forschung warnen vor EU-Verbot von Tierversuchen
Frankfurter Rundschau
Eine Bürgerinitiative fordert die generelle Abschaffung von Tierversuchen in der EU. Wissenschaft und Politik warnen vor gravierenden Folgen für die „Gesundheit von Mensch und Tier“.
Dieser Artikel liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem Europe.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn Europe.Table am 1. Juni 2023.
Brüssel – Die europäische Bürgerinitiative „Save Cruelty Free Cosmetics – Commit to a Europe Without Animal Testing“ hat es mit 1,2 Millionen Unterschriften geschafft: Kommission und Parlament müssen sich mit ihr befassen. Doch während die Forderung einer Verschärfung des Verbots von Tierversuchen für Kosmetika oder Chemikalien kaum umstritten ist, sorgt die Forderung einer schrittweisen generellen Abschaffung von Tierversuchen für Aufregung in der Wissenschafts-Community. Sie fürchtet, dass die Kommission ihre Position ändert.
Beim Hearing zur Bürgerinitiative im Umweltausschuss des Parlaments am vergangenen Donnerstag (25. Mai) fokussierten sich die Vertreter der Bürgerinitiative vor allem auf das Thema Tierversuche in der Kosmetikaherstellung – und untermalten ihre Darstellungen mit teils drastischen Videos. Auch Tilly Metz, Abgeordnete der Grünen aus Luxemburg, forderte eine kritische Bestandsaufnahme beim Thema Tierversuche. Wo können diese heute schon ersetzt werden und wie kann man Verfahren dafür beschleunigen? Wo sind sie unerlässlich? Und wie kann man alternative Methoden besser fördern? Sie verwies darauf, dass beispielsweise im Horizon-Europe-Programm lediglich 0,1 Prozent des Budgets für die Erforschung von Alternativen zur Verfügung stünden. Der aktuelle Bundeshaushalt sieht ebenfalls lediglich 5,4 Millionen Euro für die Entwicklung von Alternativmethoden vor.
Christian Ehler (CDU) kritisierte dagegen: „Unnötige Tierversuche sollten schrittweise abgeschafft werden, aber diese Initiative geht zu weit.“ Er sagte weiter: „Wo es möglich ist, wird die Wissenschaft zu Alternativen übergehen, aber eine EU-Gesetzgebung ist unnötig und birgt die Gefahr, dass wichtige wissenschaftliche Arbeiten zur Gesundheit von Mensch und Tier zunichtegemacht werden.“
Kritik kommt auch aus der Wissenschaft. Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen positionierte sich in ihrer Stellungnahme kritisch gegenüber dem Ziel der Bürgerinitiative. Aus der Sicht der Allianz „ist eine solch weitreichende und pauschale Forderung wissenschaftlich nicht begründet. Sie verkenne zudem zentrale Grundprinzipien, wie Forschung neues Wissen und innovative Entwicklungen hervorbringt.“ Weiter heißt es: „Tierversuche sind nach wie vor erforderlich, um die Funktionsweise komplexer biologischer Systeme zu verstehen und als Grundlage für die ethisch vertretbare Durchführung klinischer Humanstudien.“