Über Arno Schmidts „Julia, oder die Gemälde“: Denkwege zum fertigen Gemälde
Frankfurter Rundschau
Susanne Fischer unternimmt eine Bestandsaufnahme von Arno Schmidts Zettelwirtschaft zu „Julia, oder die Gemälde“.
Wald und Bäume bilden eine alte Grauzone, und ein geflügeltes Wort macht sich lustig darüber, dass jemand eine Fülle von Einzelheiten sehe, ohne das aus ihnen bestehende Ganze zu erkennen. Die Erkenntnisanstrengung zwischen Bäumen und Wald war beständiges Nebenthema im Werk des 1979 verstorbenen Arno Schmidt, das verantwortungsvoll und äußerst kompetent von der nach ihm benannten Stiftung betreut und ediert wird.
Schmidt gefiel sich häufig als Verfechter einer tabellen- und kalenderhaften Genauigkeit und Tatsachenversessenheit. Und so stehen wir nun vor einer Ansammlung von Zettelkästen, aus denen – neben dem mittlerweile edierten Werk – Arno Schmidts Nachlass besteht. Die Zettel sind die Einzelheiten, und nicht umsonst führt sein Opus magnum, „Zettel’s Traum“, sie im Titel, verbunden mit einer lässigen Anspielung auf Shakespeare.
Schmidts Zettelkästen sind ein Konglomerat geordneter Rätselhaftigkeiten. Wer die als fertig edierten Textgebilde – namentlich des späten Typoskript-Werkes – dechiffieren will, wird das ohne die entsprechenden Zettelkästen kaum schaffen. Aber mit ihnen? Lassen sich mit ihrer Hilfe wirklich Denkwege zwischen Wald und Bäumen allgemeingültig kartieren? Schmidts letztes Typoskript „Julia, oder die Gemälde“ blieb Fragment. Es würde „ebbes Kurioses“ werden, schrieb Schmidt seinem Lektor Ernst Krawehl am 31. Januar 1979. Das ist keine Untertreibung. Am 31. Mai 1979 jedoch beendete ein Schlaganfall die Arbeit, „Julia“ blieb unvollendet, dazugehörige Zettelkästen in weiten Teilen unausgeschöpft.