Äthiopien stürzt Bürgerkriegsprovinz Tigray in „Katastrophe“: Regierung startet Großoffensive
Frankfurter Rundschau
In Äthiopiens Bürgerkriegsprovinz Tigray wird wieder gekämpft: Oppositionellen zufolge greifen „Zehntausende“ Regierungskräfte an. Millionen Menschen sind brauchen Hilfe.
Tigray - Äthiopiens Regierungstruppen haben nach Angaben der oppositionellen Volksbefreiungsfront Tigrays (TPLF) eine großangelegte Offensive gegen Stellungen der TPLF in der an Tigray angrenzenden Nachbarprovinz Amhara begonnen. In die seit Montag anhaltenden Kämpfe seien „Zehntausende“ von Panzern, Kampfjets und Drohnen begleitete Soldaten an mehreren Fronten verwickelt, teilte TPLF-Sprecher Getachew Reda über Twitter und in Telefonanrufen gegenüber Journalistinnen und Journalisten mit: „Tausende“ seien dem Großangriff bereits zum Opfer gefallen. Auch der unabhängige Internet-Dienst „Ethiopia Map“ meldete die Bombardierung mehrerer an der Grenze zu Tigray gelegener Städte wie Wurgesa und Arbit. Dagegen teilte die Regierung in Addis Abeba lediglich mit: „Wir werden unseren Widerstand gegen die Zerstörung, Gewalt und Morde der TPLF in der Amhara-Region und an anderen Orten fortsetzen.“
Nach der überraschenden Rückeroberung weiter Teile der Tigray-Region seitens der TPLF hatte Äthiopiens Regierung Ende Juni einen einseitigen Waffenstillstand erklärt. Gleichzeitig verhängte Addis Abeba eine Blockade über die Unruheprovinz, die seitdem von der Außenwelt fast vollkommen abgeschottet ist. Sowohl das Mobilfunknetz wie auch der Zugang zum Internet sind blockiert, in der Provinz herrscht akuter Mangel an Nahrungsmitteln sowie an Treibstoff und Medikamenten.
Unabhängige Informationen sind aus Tigray derzeit fast überhaupt nicht zu bekommen: Mitglieder internationaler Hilfsorganisationen befürchten jedoch, dass die jüngsten Kampfhandlungen die Provinz vollends in eine „Katastrophe“ stürzen könnten. Ein Aufflammen der Kämpfe war erwartet worden: Derzeit geht die Regenzeit zu Ende, Äthiopiens Regierung hat in den vergangenen Monaten Zigtausende von Soldaten rekrutiert. „Dies ist ein entscheidender Moment, von dem in Addis Abeba schon seit einiger Zeit die Rede war“, sagt der äthiopische Journalist Samuel Getachew: „Es ist zu erwarten, dass es blutig werden wird.“