Zum 450. Geburtstag von Caravaggio: Mehr Licht und mehr Schatten
Frankfurter Rundschau
Die Scheinwerfer auf die Realität richten: Vor 450 Jahren wurde der Maler Caravaggio geboren, der aus der Welt ein Theater machte.
Im Katalog für die Auktion des 8. April 2021 bot das Madrider Auktionshaus Ansorena auch ein „Gemälde aus dem Umkreis von José de Ribera“ an. Mindestgebot 1500 Euro. Der Schätzpreis lag bei 2500 bis 3000 Euro. Es handelte sich um ein „Ecce Homo“: Jesus mit nacktem Oberkörper, Dornenkrone und „Königsumhang“. Neben ihm Pontius Pilatus, der ihn der Menge zeigt und erklärt: „Seht, da ist der Mensch.“
Das Foto des Gemäldes machte schnell die Runde. Die Eigentümer zogen es zurück. Denn die Fachwelt war sich weitgehend einig: Das war kein Werk von Schülern des in Neapel tätigen spanischen Barockmalers Jusepe de Ribera (1591–1652), sondern ein Werk des Malers, von dem jener – wie so viele seiner Zeitgenossen – gelernt hatte: Michelangelo Merisi da Caravaggio. Wenn das stimmte, bewegte sich der Preis des Bildes in völlig anderen Dimensionen. Vor allem aber trat jetzt Spaniens Exportverbot für Kunstschätze in Kraft. Erst einmal also keine Auktion.
Die Geschichte passt zu Caravaggio. Schon 2019 war in Frankreich ein unbekannter Caravaggio aufgetaucht. Eines der Bilder, die Judith bei der Enthauptung des Holofernes zeigen. Das Pariser Auktionshaus setzte ein Mindestgebot von 30 Millionen Euro fest und sprach von einem Schätzwert von 100 bis 150 Millionen Euro. Auch damals kam es nicht zur Auktion. Ein amerikanischer Milliardär soll es gekauft haben. Frankreich, das das Bild 2016 zum „nationalen Erbe“ gezählt hatte, ließ dann doch seinen Export in die USA zu. Möglicherweise hatten sich Fachleute gefunden, die das Bild nicht Caravaggio zuschrieben. Bei der Frage, welcher Maler ein Bild gemalt hat, geht es nicht nur um Expertise, sondern auch um sehr viel Geld. Ist es ein Caravaggio, liegt man bei deutlich mehr als 100 Millionen Euro, bekommt das Werk aber nicht außer Landes. Ist es keiner, ist er nur noch einen Bruchteil wert, dafür aber exportabel. In dieser Zwickmühle bewegt sich die Caravaggio-Forschung. Ist der Pseudocaravaggio erst einmal außer Landes, findet sich wieder jemand, der das Bild dann doch Caravaggio zuschreiben.