Wo ist Kamala Harris? Die Entzauberung einer Hoffnungsträgerin
Frankfurter Rundschau
Kamala Harris wurde als erste Frau und erste Schwarze im US-Vizepräsidenten-Amt bejubelt. Doch der große Enthusiasmus scheint verflogen zu sein.
Washington D.C. – US-Vizepräsidentin Kamala Harris sitzt in einem prunkvollen Raum in ihrem Amtsgebäude gleich neben dem Weißen Haus. Um den wuchtigen Tisch in der Mitte des Raums hat die Demokratin mehrere Kabinettsmitglieder versammelt, andere Vertreter von Ministerien sind per Video zugeschaltet. Der Anlass ist das Treffen einer Arbeitsgruppe „zur Organisierung und Stärkung von Arbeitnehmern“. Nebenan im Weißen Haus geht es derweil ums Eingemachte.
US-Präsident Joe Biden kämpft seit Wochen um die innenpolitischen Kernvorhaben seiner Präsidentschaft: zwei gewaltige Investitionspakete, die wegen Widerstandes aus den Reihen seiner Demokraten im Kongress wackeln. Biden war zuletzt mit kaum etwas anderem beschäftigt, führte wesentliche Verhandlungsgespräche selbst. Kamala Harris hingegen spielte bei diesem zentralen Kraftakt der Regierung nach außen hin kaum eine Rolle.
Der Präsident der USA hat versprochen, als echtes Team mit Harris zu regieren und sie maßgeblich in alle großen Entscheidungen einzubinden. Im Kampf um sein innenpolitisches Vermächtnis aber scheint es, als setze der 78-Jährige vor allem auf seine eigenen Erfahrungen und Kontakte. Harris war zwar Senatorin, bevor sie Vizepräsidentin wurde. Aber sie saß nur vier Jahre im Senat, Biden dagegen 36 Jahre. Seine Jahrzehnte im Kongress und seine außenpolitische Erfahrung waren ein wichtiger Grund, warum Präsident Barack Obama Biden vor zwölf Jahren zu seinem Vize machte. Joe Biden brachte Erfahrung mit, die Obama fehlte.