Spieglein, Spieglein
Frankfurter Rundschau
Die vermeintliche Salzburger Stärke war nie etwas anderes als die Schwäche der Bayern, die sich in einer Gegenteilswelt zu verlieren drohten. Das 7:1 könnte befreiend wirken, gerade rechtzeitig.
Der erste Eindruck zählt, der letzte bleibt, heißt es in der Psychologie, und nimmt man an, dass dies auch auf den Fußball zutrifft, so steht der FC Bayern vor einer Herausforderung. Er muss ein Spiel einordnen, das er mit 7:1 gewonnen hat, das anfangs aber aussah, als plane er es mit 8:10 zu verlieren.
Dieses Rückspiel im Achtelfinale der Champions League gegen den FC Salzburg, natürlich gleichbedeutend mit dem Einzug ins Viertelfinale, kann von den Münchnern nicht ohne Anmerkungen und Fragezeichen zu den Akten gelegt werden. Was wäre passiert, wenn die Salzburger gleich mal ihre beiden Chancen in den ersten fünf Minuten genutzt hätten? Was, hätte der Gästeverteidiger Maximilian Wöber darauf verzichtet, Bayern-Stürmer Robert Lewandowski einen schnellen Hattrick zu überreichen, verpackt in zwei Foulelfmeter und einen Folgefehler? Womöglich wären die Münchner Befürchtungen nach dem wilden 1:1 im Hinspiel wahr geworden.
Als es 0:3 stand nach 23 Minuten war das junge Salzburger Team restlos erledigt. Verwirrend für alle Beteiligten kam hinzu, dass zwei identische Trainer an der Seitenlinie standen, wobei lange nicht ersichtlich war, ob Bayern-Coach Julian Nagelsmann (34) wie ein Klon des Salzburgers Matthias Jaissle (33) aussah oder doch andersherum. Eher andersherum. Nagelsmann ist das Urbild des frisch eingecremten Trainer-Yuppies, der es genießt, im Glanze eines Champions-League-Abends (und seiner selbst) breitbeinig die Coaching Zone zu durchmessen. Erst im Laufe des Abends gelang es, die Dressmänner verlässlich voneinander zu unterscheiden, weil der eine (Nagelsmann) andauernd jubelnd herumsprang, während der anderen (Jaissle) von seinem Rollkragen erwürgt zu werden drohte.
Wie ein seltsames Erlebnis im Spiegelkabinett muss den Münchnern dieses Achtelfinale im Nachhinein vorkommen. Die vermeintliche Salzburger Stärke war nie etwas anderes als die Schwäche der Bayern, die sich, leicht traumatisiert von Dingen wie einem 1:4 beim VfL Bochum, der Fehleranfälligkeit des scheinbaren Abwehrchefs Dayot Upamecano und einem Eigentor des sonst so umsichtigen Thomas Müller, in einer Gegenteilswelt zu verlieren drohten. Das 7:1 könnte befreiend wirken, gerade rechtzeitig.
In der Champions League wird sich entscheiden, ob Nagelsmanns erste Bayern-Saison ein echter Erfolg wird. Hier entsteht der einzige Eindruck, der in München wirklich zählt und wirklich bleibt.