Ragnar Kjartansson: „Manchmal träume ich davon, Elektriker zu werden“
Frankfurter Rundschau
Er ist der wichtigste bildende Künstler Islands, jetzt startete sein bisher kühnstes Projekt in Moskau: Ragnar Kjartansson über seine monatelange Performance „Santa Barbara“, den Reiz der Wiederholung und politische Kunst in Sichtweite von Putin.
Ein erstaunlich unprätentiöser Künstler ist dieser Ragnar Kjartansson, dessen Videoinstallation „The Visitors“ der britische „Guardian“ als „das beste Kunstwerk des 21. Jahrhunderts“ ausgezeichnet hat. Die Wiederholung ist das zentrale Stilmittel des 45-Jährigen. So ließ er die US-Band The National ihren Dreiminüter „Sorrow“ sechs Stunden lang immer wieder spielen. Und für das Langzeitprojekt „Me and My Mother“ lässt er sich alle fünf Jahre von seiner Mutter, der Schauspielerin Gudrun Asmundsdottir, minutenlang ins Gesicht spucken. Jetzt beginnt im monumentalen Kunsthaus GES-2 in Moskau, einem von Renzo Piano umgebauten alten Kraftwerk, seine Performance „Santa Barbara“. Die Seifenoper aus Kalifornien lief unmittelbar nach dem Ende der Sowjetunion – und sie hat das neue Russland maßgeblich geprägt, glaubt der Künstler. Deswegen lässt er mehr als 100 Folgen auf Russisch in einem fiktiven Fernsehstudio live nachdrehen. Das Gespräch fand via Zoom statt.
Ragnar Kjartansson, sind Sie ein politischer Künstler?
Als Künstler kann man nicht unpolitisch sein. Bob Ross ist politisch. Es ist Eskapismus, aber auch das ist politisch. Alle Kontexte sind heute politisch, das ist ganz anders als vor zehn Jahren. Kunst ist immer eine Art politisches Werkzeug. Meine Kunstwerke sind politisch, und ich bin selbst ein sehr politischer Mensch, aber ich mag es auch, wenn die Kunstwerke mehrdeutig sind. Und dann gerate ich manchmal auch in unangenehme Gewässer, auch weil ich gerne und viel rede.