Jochen Lempert: Er sucht nicht, er findet
Frankfurter Rundschau
Der Künstler präsentiert fantastisch triviale Fotografien im Frankfurter Portikus.
Diese Ausstellung ist auf den ersten Blick langweilig. Sie zeigt Fotos mit Insekten, Blättern, gelegentlich Menschen, alles in schwarzweiß. Die Szenen scheinen wie nebenbei beobachtet: Dinge, Wesen, Situationen, die so alltäglich sind, dass wir sie womöglich gar nicht wahrnehmen. Und wenn doch – oh, eine Ente – haben wir es kurz danach wieder vergessen.
Weil man nun aber schon mal im Frankfurter Portikus in der Ausstellung von Jochen Lempert steht, wo diese Fotos ganz unspektakulär und schutzlos auf die Wände geklebt wurden, schaut man länger hin. Und wundert sich: Sieht dieser Abzug nicht ziemlich flau aus? Sind da nicht Flecken drauf, die beim Vergrößern entstanden sein müssen? Nie sind spektakuläre Lichtverhältnisse zu sehen, wie sie in der Schwarzweiß-Fotografie üblich sind, vieles wirkt grau in grau. Mal sieht man einen Käfer, mal ein Paar Kirschen.
Doch dann! Ganz allmählich entdeckt man die Feinheiten. Zarte Linien auf einem Blatt. Eine spezielle Körnigkeit, die es bei Digitalfotografie gar nicht gibt. Das winzige Konterfei des Fotografen, gespiegelt in einem Froschauge. Das Kirschenbild, das doch nicht bloß Kirschen zeigt, sondern eine diffuse, verlockende Lichtstimmung. Oder - je nach Betrachtungsweise - ein einsames Paar, eine Komposition aus Linien und Kreisen, ein letztes Glück an einem Spätsommertag.
So wie das Kirschenbild sind die meisten der Fotografien von Jochen Lempert: Man kann sie als grafische Konstellationen anschauen, als poetische Verweise auf die melancholische Schönheit, die im Banalen, Vergänglichen liegt. Sie zeigen, was ist. Und dass das, was ist, wunderschön sein kann – auch ohne dass man es bildästhetisch aufpoliert. Oder genauer: gerade weil man es nicht tut. Oftmals verliert man sich in diesen Bilder, folgt einer Struktur, einem hauchfeinen Muster und vergisst, was darauf abgebildet ist. Die Motive kippen ins Abstrakte.
Jochen Lempert, der in Hamburg lebt und 1958 in Moers geboren wurde, ist den meisten Kunstkennerinnen und -kennern kein Begriff. Dabei arbeitet er seit den neunziger Jahren mit dem Medium der Fotografie. Künstlern, die in einem thematisch ähnlichen Bereich arbeiten, ist er sehr wohl ein Begriff. Lempert gilt als artist’s artist. Weil er das Sonderbare im Trivialen entdeckt und sich von den Anforderungen des Kunstmarktes völlig frei macht.