
In der Türkei entlädt sich lang angestauter Frust
n-tv
Es sind die größten Proteste seit knapp 12 Jahren. Die Verhaftung des Erdogan-Kontrahenten Imamoglu mobilisiert Tausende Menschen in der Türkei. Ihre Unzufriedenheit mit der Regierung geht nach Einschätzung von Experten jedoch weit darüber hinaus. Es sei nur der Funke.
Die Massenproteste in der Türkei wurden zwar durch die Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters und Oppositionspolitikers Ekrem Imamoglu ausgelöst. Doch mit den Großdemonstrationen in Städten wie Istanbul und Ankara entlädt sich auch angestauter Frust über die Lage im Land, das von Langzeitpräsident Recep Tayyip Erdogan mit harter Hand regiert wird. "Es gibt große Wut", sagt der Abgeordnete Yüksel Taskin von Imamoglus Partei CHP. "Die Menschen gehen spontan auf die Straße. Manche junge Menschen engagieren sich zum ersten Mal in ihrem Leben politisch."
Die derzeitigen Demonstrationen von hunderttausenden Menschen sind die größten seit den regierungskritischen Gezi-Protesten, die Ende Mai des Jahres 2013 begonnen hatten. "Das Gefühl, gefangen zu sein - wirtschaftlich, sozial, politisch und selbst kulturell - war schon weit verbreitet", sagt der Journalist und Buchautor Kemal Can. Die Festnahme von Imamoglu, dem wichtigsten politischen Rivalen von Erdogan, sei nun der Funke gewesen.