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In Belarus gestrandet: Der lange Weg des Irakers Miraz R.
Frankfurter Rundschau
Ein Kurde aus dem Irak hatte seinen Ausbildungsplatz als Pfleger in einem Seniorenheim so gut wie sicher. Doch das deutsche Konsulat stellte ihm kein Visum aus.
Minsk – Es ist ein Tag vor Heiligabend, als Miraz R. zum ersten Mal bei der deutschen Flüchtlingshilfsorganisation anruft, deren Adresse er im Internet gefunden hat. Zu diesem Zeitpunkt ist der irakische Kurde bereits seit drei Monaten in Belarus. Der 25-Jährige ist einer von Hunderten Menschen, die – angelockt von den Versprechen des belarussischen Diktators Alexander Lukaschenko – darauf hoffen, sich in Europa ein neues Leben aufbauen zu können. Doch mit jedem Tag, der vergeht, wird ihm deutlicher, wie schwierig das ist.
Im November hat Miraz, der eigentlich anders heißt, versucht, mit einigen anderen aus dem Irak über die polnische Grenze zu gelangen. Drei Nächte seien sie im Urwald gewesen, in jenem Sumpfgebiet, das Flüchtlingsaktivist:innen „die Hölle“ nennen. Mindestens 21 Menschen sind dort schon gestorben. „Eine Nacht war ich ganz alleine“, erzählt Miraz. „Es war eiskalt und gefährlich, da habe ich mich zur Umkehr entschieden.“ Seitdem stellt er den Deutschen, mit denen er spricht, immer wieder eine Frage: „Was soll ich tun?“ Im Dezember schwankt er zwischen der Hoffnung, dass Europa die Grenze doch noch aufmacht, und dem Impuls, zurückzugehen in den Irak.
Miraz R. ist das, was Deutschland braucht: eine Fachkraft. Im Irak hat er eine Ausbildung zum Anästhesiepfleger abgeschlossen, die Zeugnisse liegen der Frankfurter Rundschau vor. Doch weil er keine Stelle fand, arbeitete er in einem Supermarkt, 40 Stunden die Woche, für umgerechnet sieben Euro. „Wie soll man sich damit ein Leben aufbauen?“ Die Arbeitslosigkeit ist hoch in seiner Heimat, und gefährlich ist es auch. Die Terrormiliz „Islamischer Staat“ ist im Irak weiterhin aktiv, immer wieder kommt es zu Anschlägen.
Für Menschen wie Miraz, die in den kurdisch dominierten Regionen leben, kommt eine weitere Bedrohung hinzu: Angriffe vom Nato-Partner Türkei. Mit Kampfjets und Drohnen hat die Türkei im Januar und Anfang Februar erneut kurdische Stellungen angegriffen, es gab Tote und Verletzte. Kurdische Medien berichten auch von Angriffen auf Zivilpersonen und der Zerstörung von Dörfern sowie ziviler Infrastruktur.
Miraz hat sich vor einigen Jahren entschlossen, Deutsch zu lernen und nach Deutschland zu gehen. Die fremde Sprache spricht er so gut, als hätte er einmal hier gelebt, dabei hat er deutsche Grammatik und Vokabeln nur am Goethe-Institut in seiner Heimat gepaukt. „Ich habe gedacht, Deutschland braucht Pflegekräfte“, antwortet er auf die Frage, warum er nach Deutschland will.