IfW: Energie-Embargo träfe Russland hart - Deutschland aber kaum
DW
Ein Energieembargo der EU gegen Russland würde die russische Wirtschaft nach Einschätzung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) empfindlich treffen - die Wirtschaft in Deutschland und der EU aber kaum.
Der Westen kann die russische Wirtschaft mit einem Stop von Gasimporten dem Institut für Weltwirtschaft (IfW) zufolge am härtesten treffen. Demnach hätte ein Handelsstopp mit Gas einen Einbruch der russischen Wirtschaftsleistung um 2,9 Prozent zur Folge, wie aus der am Mittwoch veröffentlichten Simulationsrechnung der Kieler Forscher hervorgeht. Ein vollständiger Verzicht auf Öl würde einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 1,2 Prozent zur Folge haben. "Für Deutschland und die EU wären die wirtschaftlichen Schäden in beiden Fällen äußerst gering", fassen die Handelsexperten ihre Studie zusammen. Demnach könnte die deutsche Wirtschaftsleistung bei einem Verzicht auf russisches Gas sogar leicht um 0,1 Prozent zunehmen, ebenso die der EU insgesamt.
"Grund für das Plus ist, dass die westlichen Verbündeten die fehlenden Importe Russlands durch Produkte der Bündnispartner ersetzen würden und hier Deutschland besonders wettbewerbsfähig ist", so das IfW. Im Falle eines Gasembargos hätte Deutschland etwa bei der energieintensiven Produktion bzw. Verarbeitung von Metallen einen Kostenvorteil, weil sein Energiemix nur zu verhältnismäßig geringen Teilen aus russischem Gas bestehe.
"Unsere Berechnungen sind exemplarischer Natur, aber sie zeigen klar, dass die mittelfristigen wirtschaftlichen Folgen von Handelsembargos Russland sehr viel härter treffen würden als die westlichen Verbündeten", sagte IfW-Handelsforscher Hendrik Mahlkow. Aus diesem Grund wäre zum einen die Drohung Russlands mit einem Lieferstopp für Gas und/oder Öl wenig glaubhaft. Auf der anderen Seite sei ein Stopp der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 durch die Bundesregierung absolut nachvollziehbar.
Sehr viel pessimistischer als das IfW bewertet Eon-Vorstandschef Leonhard Birnbaum den Fall eines kompletten Ausfalls russischer Gaslieferungen. Er warnt vor den mittelfristigen Folgen für die deutsche Industrie. "Einige Betriebe müssten Stand heute von der Versorgung abgeschaltet werden", sagte der Chef des Energiekonzerns der "Zeit". Zwar wären die akuten Auswirkungen nicht so drastisch, weil das Ende der Heizperiode fast erreicht sei. "Aber im nächsten Winter könnte die Energiewirtschaft wahrscheinlich eine Reihe von Industriekunden nicht mehr ohne Weiteres versorgen."
Deutschland kann seine Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen in den kommenden Jahren dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge massiv senken. "Wenn es in Deutschland gelingt, den Anteil der erneuerbaren Energien in der Stromerzeugung bis 2030 auf 80 Prozent zu erhöhen, kann die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen deutlich vermindert werden", sagte DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert der Nachrichtenagentur Reuters. "Dies ist machbar, erfordert aber ein noch schnelleres Vorgehen." Der Anteil der erneuerbaren Energien an der gesamten Stromeinspeisung lag im Sommer 2021 dem Statistischen Bundesamt zufolge bei 43,1 Prozent.