
Ibrahim Arslan: „Zehn Jahre nach dem NSU ist zehn Jahre vor dem NSU“
Frankfurter Rundschau
Ibrahim Arslan überlebte 1992 den rechtsextremen Brandanschlags von Mölln. Im Interview spricht er darüber, was sich nach dem Auffliegen des NSU-Trios für ihn änderte und die Bedeutung antirassistischer Bildung.
Herr Arslan, wir wollen über rechten Terror sprechen, weil das Bekanntwerden der NSU-Mordserie zehn Jahre zurückliegt und Sie selbst 1992 einen rassistischen Terroranschlag überlebt haben. Können Sie sich erinnern, was die ersten Berichte über den NSU bei Ihnen ausgelöst haben?
Natürlich. Für mich war die Selbstenttarnung des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrunds“ eine Zäsur in meinem Leben. Die politische Arbeit, die ich heute als Betroffener rassistischer Gewalt mache, hat erst damals richtig angefangen. Ich habe mich 2011 dabei ertappt, dass auch ich die Perspektive der NSU-Betroffenen nicht berücksichtigt hatte. Seit dem Mord an Enver Simsek 2000 haben die Angehörigen der Ermordeten elf Jahre lang versucht, diese Gesellschaft davon zu überzeugen, dass die Mörder Neonazis gewesen sein könnten. Aber die Täter wurden in der migrantischen Community gesucht. Das hat mir gezeigt, dass wir als Gesellschaft bei solchen Taten davon ausgehen sollten, was die Betroffenen sagen. Ich habe 2011 als Erstes versucht, allen Angehörigen der NSU-Opfer Briefe zu schicken. Beim „Birlikte“-Festival 2014 in Köln habe ich dann die ersten kennengelernt.
Hatten Sie so etwas wie den NSU vor 2011 für möglich gehalten?