Heike Geißler: „Die Woche“ – Eine Woche voller Montage
Frankfurter Rundschau
Heike Geißler macht uns Staunen mit kaltem Zorn und lebhaftem Witz, während ansonsten in einer unguten Welt nichts recht vorankommen mag.
Das ist durchaus ein Buch des in muntere Worte heruntergekühlten Zorns. Heruntergekühlt ist der Zorn einerseits sarkastisch, andererseits selbstironisch, einerseits sentenzenhaft, andererseits aufgekratzt und ausgesprochen witzig. Gerichtet ist er kurz gesagt gegen soziale und politische Verwerfungen. „Das, sagt Constanze, ist etwas, was auch in den Schulen unterrichtet werden muss: Wie man sich auf Entmietungen vorbereitet und sie dauerhaft erfolgreich abwehrt.“
Mit einem Ausschnitt aus ihrem neuen Buch ist die Leipziger Schriftstellerin Heike Geißler im vergangenen Jahr beim Wettlesen um den Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt aus unerfindlichen Gründen ganz leer ausgegangen. Auch jetzt steht direkt wieder die Vermutung im Raum, es handele sich bei dem Roman „Die Woche“, soeben erschienen und unter den Nominierten für den am heutigen Donnerstagnachmittag vergebenen Preis der Leipziger Buchmesse, gar nicht um einen Roman. Höchstens um einen Romanessay, einen Diskursroman, viel Theorie, viel These.
Indes gibt es natürlich auch eine Handlung. Zwei (entmietete) Frauen in Leipzig – die Ich-Sagerin hat Kinder, ihre Freundin Constanze ständig neue pfiffige Ideen für Seminare – tun sich schwer damit, durch die titelgebende Woche zu kommen, da mysteriöserweise andauernd wieder Montag ist, der Tag, den der Mensch am allerwenigstens braucht.
Ich-Sagerin. Es fällt etwas schwer, von einer Ich-Erzählerin zu sprechen, nicht nur, weil sie meistens „wir“ sagt und Constanze und sich damit meint. Sondern auch, weil ihr selbst bewusst ist, dass sie keine Romanerzählung im engeren Sinne bieten will. Kann. „In weiter Ferne“, heißt es einmal, „schlendert der schönste Roman der Welt auf uns zu. Er hat den entspanntesten Schritt, und es ist, als schauten wir durch Jahrzehnte hindurch zurück. Er trägt eine weiße Jeansweste auf nacktem, gebräuntem Oberkörper, dazu eine weiße Jeanshose mit Schlag. Er trägt dieses Outfit, er trägt alles mit Humor und Verbindlichkeit. Wir sehen ihn nicht deutlich, aber: Das könnte ein Gott sein, werden wir sagen. Sind sie nicht so, die guten Götter?“ Am „Rand des Krieges“ trifft man sich nachher wieder. „Am Rand des Krieges sitzt der schönste Roman von allen und will mit keinem Storytelling mehr etwas zu tun haben: You know, lass mal gut sein.“ Am Rand des Krieges: Obwohl „Die Woche“ nicht diese Woche und nicht die letzte Woche meint, ist sie nah dran.
Eine „lausig lange“ Woche, die allein dem Kopf der Erzählerin, die insofern also doch eine Erzählerin ist, entspringt. Damit können alle Schwerfälligkeiten eines Alltags übersprungen werden, obwohl es genau um einen solchen geht. Auch ergeben sich neue, eigenwillige Probleme. „Da ich meinen Mann nicht in den Text lasse, muss ich nun die sein, die das Frühstück hinstellt, die Schulbrote schmiert.“ Und da ständig Montag ist, finden ohne Unterlass Montagsdemonstrationen statt.