Habeck dreht den Wasserstoff-Hahn auf
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Die Bundesregierung will fossilen Energieträgern den Garaus machen, doch das Land braucht künftig mehr Strom denn je - etwa für Autos, LKWs und Wärmeversorgung. Das Zaubermittel: grüner Wasserstoff. Der zuständige Minister Habeck erhöht die Ausbauziele, doch es gibt Kritik, auch aus der Umweltbewegung.
Für Robert Habeck geht ein denkbar schwieriges Halbjahr als Bundesminister für Klimaschutz und Wirtschaft zu Ende. Der Streit ums Heizungsgesetz, die Trauzeugen-Affäre seines daraufhin gefeuerten Staatssekretärs Patrick Graichen und die Rezession der deutschen Wirtschaft. Sein am Wochenende beginnender Urlaub dürfte aus Sicht des Grünen-Politikers keinen Tag zu früh kommen. Umso wichtiger, dass der Vizekanzler mit einem guten Gefühl das Sakko im Schrank parkt. Dieser Mittwoch wartet mit gleich drei Wohlfühlterminen auf: Am Vormittag hat die Bundesregierung die Aktualisierung der Nationalen Wasserstoffstrategie beschlossen. Habeck leitete in Abwesenheit des urlaubenden Kanzlers die Kabinettssitzung -"in sommerlich-gelöster Atmosphäre", wie ein Sprecher berichtete. Am späten Nachmittag darf Habeck bei zwei Firmenbesuchen demonstrieren, in welch grün-goldene Zukunft er das Land auch mithilfe des Wasserstoffs führen will.
In Oberhausen will der Stahlkonzern Thyssenkrupp Steel Europe das größte europäische Hüttenwerk schrittweise auf Wasserstoff umrüsten, statt Kohle zu verbrennen. Die EU hat gerade den Weg freigemacht, dass Bund und Länder das Projekt mit zwei Milliarden Euro fördern dürfen. Anschließend besichtigt Habeck das Unternehmen Air Liquide, das Großelektrolyseure baut. Das sind jene Anlagen, die mit Strom Wassermoleküle in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegen. So wird Energie in Form von Wasserstoff transport- und brennfähig. Wasserstoff gilt wegen dieser Eigenschaften als Schlüssel der Energiewende.
Es ist die zentrale Erzählung der Grünen, dass sich Deutschlands energieintensive Industrie so dekarbonisieren lasse - und Deutschland langfristig CO2-neutral, günstig und planbar alles Mögliche produzieren und in die Welt exportieren könne. Doch weil Wasserstoff noch knapp ist, erst recht mithilfe von grünem Strom gewonnener Wasserstoff, ist er eben auch teuer. Habeck spricht gerne vom "Champagner der Energiewende" - ein rares Gut, das aus Sicht des Ministers vorerst der Industrie vorbehalten bleiben sollte und nicht zum Fahren und Wärmen verheizt werden sollte, wo es bekanntlich auch elektrische Lösungen gibt.