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Gaza: „Europa muss sich mit der Hamas an einen Tisch setzen“
Frankfurter Rundschau
Matthias Schmale, bis vor kurzem für die UN in Gaza, über die Zusammenarbeit mit der Hamas, die Hoffnungslosigkeit der Menschen in Gaza und Angriffe auf seine Person.
Der Deutsche Matthias Schmale galt als „Gouverneur von Gaza“, weil er als Leiter der örtlichen UN-Palästinenserhilfe (UNRWA) für die Menschen im Gazastreifen einen großen Teil der Gesundheits- und Schulversorgung verantwortete. Ein Interview mit dem israelischen TV-Sender N12 kostete ihn letztlich den Job: Im Mai, als Israel Gaza bombardierte, bezeichnete Schmale diese Bombardements als „zielgerichtet“. Die in Gaza regierende Hamas entzog ihm daraufhin den Polizeischutz. Mittlerweile ist Schmale endgültig aus dem Nahen Osten abgereist und hat seine Arbeit für UNRWA beendet. Im Interview zieht er Bilanz nach vier intensiven Jahren im blockierten Gazastreifen.
Herr Schmale, Sie haben mit Ihren Äußerungen im Mai für viel Ärger im Gazastreifen gesorgt. Bereuen Sie heute, was Sie gesagt haben?
Sagen wir so: Das war nicht mein tollstes Interview. Ich bereue, dass ich nicht deutlicher zum Ausdruck gebracht habe, was ich denke. Ich habe unter anderem gesagt, dass Israel nicht unbedingt zivile Einrichtungen angegriffen hat. Das ist auf Gaza-Seite teilweise missverstanden worden: Wenn man Leute in der Familie hat, die umgekommen sind, dann ist man enttäuscht, wenn man den Eindruck gewinnt, ich würde das rechtfertigen. Ich verstehe das. Ich habe den Krieg ja selbst miterlebt im Gazastreifen. Die Leute waren verunsichert, verstört. Die schwerste Kriegsfolge war nicht unbedingt die Zerstörung von Gebäuden, sondern der psychologische Effekt. Die Verzweiflung, die sich da nach dem vierten Krieg aufgestaut hat. Dass in dieser Situation, wo ich halt der Hauptvertreter der internationalen Gemeinschaft im Gazastreifen war, sich dann Ärger auch auf diesen Vertreter entlädt, ist normal.