Emine Sevgi Özdamar: „Ein von Schatten begrenzter Raum“ – Während die Hölle gerade Pause macht
Frankfurter Rundschau
„Ein von Schatten begrenzter Raum“: Emine Sevgi Özdamar erzählt in ihrem ersten Roman seit fast 20 Jahren von ihrem Leben mit der Kunst in Paris und Berlin.
Auch ein Adventskalender kommt in Emine Sevgi Özdamars neuem Roman vor, im Traum als Geschenk vom Filmemacher Luis Buñuel überreicht. Die namenlose Ich-Erzählerin beschreibt ihn in einem Pariser Café. „Ich öffnete eines der Türchen – da war eine kleine Uhr, die tickte. Buñuel sagte mir, dass er diese Uhr als Kind selbst gebastelt habe.“ Sie schaut sich um, mit wem sie zusammensitzt. Da ist ein iranischer Sozialist, der nicht nach Hause kann, weil seine Regierung aus ihm Hackfleisch machen würde. Da ist ihre Freundin Efterpi, deren Eltern in Thessaloniki von den Nazis umgebracht worden sind. Und sie selbst konnte nicht in der Türkei bleiben. Die anderen wollen, dass sie ein deutsches Volkslied singt. Sie wählt „Ein Jäger aus Kurpfalz“.
„Ein von Schatten begrenzter Raum“: Normalerweise haben Räume Wände, doch die normalen Grenzen gelten für Emine Sevgi Özdamar nicht. Sie geht durch die Länder, Zeiten und Künste, als Schauspielerin, Regieassistentin, Regisseurin, als Autorin von Theaterstücken und Prosa. Ihre Skizzen und Figurinen fürs Theater, ihre Manuskripte und Fotos werden seit kurzem in der Berliner Akademie der Künste als Vorlass aufbewahrt – Belege ihrer Grenzüberschreitungen. Erfahrbar sind sie nun auch in diesem Buch; einerseits autobiografisch, andererseits um Träume, Fantasien, Visionen, sprechende Tiere bereichert.
Als sie nach dem Militärputsch von 1971 in Istanbul nicht mehr als Schauspielerin arbeiten konnte, ging sie zunächst auf eine kleine Insel nördlich von Izmir. Der Roman beginnt dort, mit dem Blick aufs Meer, wo die Fischer mit ihren kleinen Booten fahren, ein langes Geräuschwort charakterisiert sie, das hier nur abgekürzt wiedergegeben werden kann: „Takatakatakatakata...“ Vom Ufer aus kann man Lesbos sehen. Der Roman endet auf dieser Insel. Die Fischer erzählen ihr, dass sie inzwischen Menschen aus dem Wasser holen. Schatten dieser Art rahmen das Buch und legen sich immer wieder auf das Erzählte: Völkermord, Terror, Machtmissbrauch, Gewalt, Krieg, Demagogie, Zensur.