Die Stimme erhoben
Frankfurter Rundschau
Im Fall Peng Shuai zeigt das Frauentennis Haltung, das IOC eher nicht.
Es ist jetzt etwas mehr als ein Jahr her, da wirkte Steve Simon wie festgetackert auf seinem Chefsessel. Im Sonnenscheinstaat der USA, in Florida, genauer in Saint-Petersburg am Golf von Mexiko, genoss der oberste Mann des Weltfrauentennis offenbar seine Zeit. Er sagte nichts, er tat nichts - und erntete scharfe Kritik. Man solle doch jetzt bitte Ideen entwickeln für die Schlägerschwingerinnen inmitten der Pandemie, man müsse sich doch ein Vorbild am viel aktiveren und um neue Formate bemühten Männertennis nehmen, überhaupt: Tue was, Steve!
Hinter vorgehaltener Hand gab es damals gar Rücktrittsforderungen an Simon, den Chef der weiblichen Profitennis-Organisation WTA. Davon ist rund zwölf Monate später nichts übriggeblieben. Steve Simon hat sich erhoben aus seinem Sessel, nicht bezüglich frischer Formate, aber in einer anderen, wichtigeren Sache: dem Fall Peng Shuai.
Am Mittwochabend verkündete die WTA, alle Turniere in China auszusetzen. Der Nachrichtenagentur AP sagte Simon, dass diese Entscheidung auch über das Jahr 2022 hinaus gelten könnte. Peng Shuai, frühere Weltklasse-Doppelspielerin, hatte Anfang November Vorwürfe wegen eines sexuellen Übergriffs des chinesischen Spitzenpolitikers Zhang Gaoli öffentlich gemacht. Daraufhin verschwand sie und tauchte erst zwei Wochen später wieder auf. Beobachter:innen sorgen sich um das Wohlbefinden der 35-Jährigen. Die WTA vermutet, sie wird unter Druck gesetzt und kann sich nicht frei bewegen.