Die Kraft des Klebstoffs
Frankfurter Rundschau
Beim VfB Stuttgart scheinen die notwendigen Elemente der Gemeinsamkeit in geradezu vorbildlicher Form gegeben – deshalb darf er sich Hoffnung auf den Klassenerhalt machen.
Um sich im Kampf gegen den Abstieg eine Perspektive für den Klassenerhalt zu erarbeiten, braucht es Klebstoff: Klebstoff in der Mannschaft (elf Freunde sollt ihr sein, besser doppelt so viele), Klebstoff zwischen der Mannschaft und dem Trainer, es braucht auch Klebstoff zwischen Trainer und Management und zwischen Verein und Fans.
All das oder zumindest mehrere sachdienliche Spurenelemente davon sind bei Hertha BSC und Borussia Mönchengladbach offenkundig verlustig gegangen. Ferndiagnose für beide, wenngleich in unterschiedlicher Ausprägung: Mannschaft kaputt! Trainer ratlos! Management überfordert! Fans sauer!
Beim VfB Stuttgart scheinen die notwendigen Elemente der Gemeinsamkeit dagegen in geradezu vorbildlicher Form gegeben, trotz der zuvor monatelangen Tristesse am Rande des Abgrunds. Ergo könnte man nun schließen: Die Schwaben, obwohl nach dem heldenhaft erkämpften 3:2 nach 0:2-Rückstand gegen Borussia Mönchengladbach noch immer auf einem direkten Abstiegsplatz, bleiben drin.
Und doch kann auch das eine trügerische Voraussage sein. Der auch in den schlimmsten Tagen der sportlichen Krise und im Angesicht immer wieder neuer personeller Rückschläge stets souverän und nahbar wirkende Trainer Pellegrino Matarazzo ist bei den Anhängern, beim Team, bei den Vorgesetzten Sven Mislintat und Thomas Hitzlsperger akzeptiert, er pflegt zudem einen vertrauens- und gehaltvollen Austausch mit den Medien. Aber all das war - um ein warnendes Beispiel zu nennen - weitgehend auch bei Werder Bremen in zwei aufeinanderfolgenden Jahren unter Florian Kohfeldt der Fall und führte dennoch lediglich in eine glücklich überstandene Relegation und schließlich schnurstracks in die zweite Liga. Und dennoch ist es die verheißungsvollste Rezeptur, um in Stuttgart mit jungen Leuten auch langfristig etwas aufzubauen und nicht alles wieder niederzureißen.
Für Gladbach und die Hertha spricht: Beide befinden sich trotz ihrer anhaltenden Underperformance und dem hohen Grad der Selbstzerstörung in der noch immer relativ angenehmen Situation, dass die Spvgg. Greuther Fürth trotz ihrer Tapferkeit praktisch als Absteiger feststeht, Stuttgart ja weiter prekär gefährdet ist und zwei weitere notorische Underdogs sich keinesfalls sicher fühlen dürfen und das auch nicht tun: Arminia Bielefeld und der FC Augsburg. An beiden Standorten gilt allerdings mit nur wenigen Einschränkungen - wie geradezu vorbildlich beim bemerkenswert stabilen VfL Bochum - das, was auch Stuttgart gerade ausmacht: Zusammenhalt. Auch in Fürth wird dieser Zusammenhalt mit Aufstiegstrainer Stefan Leitl und Manager Rachid Azzouzi weiter gelebt. Das ist, nebenbei bemerkt, angesichts der deprimierenden Punkteausbeute in der Hinrunde, aller Ehren wert. Fürth demonstriert gerade: Man kann auch aufrecht absteigen. Stuttgart würde das nur dann tun, wenn Matarazzo und Mislintat danach dabeiblieben.