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Darmstadt: Durchgang zwischen historischer Stadt- und Gefängnismauer eröffnet
Frankfurter Rundschau
Jahrzehntelang lag die Schleuse zum früheren Gefängnis im Verborgenen. Jetzt hat die Technische Universität Darmstadt hat die Anlage saniert.
Vermutlich wurden jugendliche Straftäter durch die Schleuse geführt, damit sie keinen Kontakt zu den erwachsenen Insassen hatten, die im Bau nebenan untergebracht waren, wie Stadtarchivar Peter Engels vermutet. Es könnte auch sein, dass Wirtschaftsgüter durch den Gang in die Haftanstalt transportiert worden seien. So genau weiß das heute niemand mehr, denn es existieren fast keine Unterlagen mehr über das 1834 erbaute Großherzogliche Provinzial-Arresthaus, dass seit 1918/19 Hessisches Landgerichtsgefängnis und später Darmstädter Straf- und Untersuchungshaftanstalt hieß. Auch einige Mauerreste am Eingang des Durchgangs, die auf winzige Räume hinweisen, geben den Denkmalschützern Rätsel auf. In alten Plänen ist die 57 Meter lange und 2,50 Meter breite Schleuse an der Erich-Ollenhauer-Promenade als Nebeneingang zur Gefängnisanlage gekennzeichnet. Seit Dienstag ist der Durchgang zwischen früherer Stadtmauer und einer Mauer, die zum inzwischen abgerissenen Gefängnis gehörte, nun offiziell für die Öffentlichkeit freigegeben.
„Über Jahrzehnte war der Gang völlig zugewachsen. Das Eingangstor war nicht zu sehen“, sagt Manfred Efinger, Kanzler der Technischen Universität (TU) Darmstadt. 2015 habe er sich zum ersten Mal gefragt, was hinter der alten Mauer sei. Recherchen ergaben, dass das Gelände TU und Stadt Darmstadt gemeinsam gehörte. Die Stadt überließ ihren Teil der Uni und die ließ die Anlage für einen „niedrigen siebenstelligen Eurobetrag“ denkmalgerecht sanieren, so Efinger. Bänke wurden aufgestellt - es entstand ein kleiner Vorplatz zum Verweilen – das Kunstwerk „Vielleicht ein Blatt“ des Bildhauers Erwin Wortelkamp wurde im Gang installiert. Die Wände, in denen auch Schießscharten gefunden wurden, sollen künftig auch als Ausstellungsfläche dienen. Nun habe die TU anlässlich der diesjährigen Ernennung der Mathildenhöhe zum Weltkulturerbe die Anlage der Stadt geschenkt, sagte Efinger am Dienstag vor Ort.
„Diese Mauren atmen Geschichte“, sagte Oberbürgermeister Jochen Partsch (Grüne). Es sei ein zusätzlicher historischer Anknüpfungspunkt entstanden, den Zehntausende Besucherinnen und Besucher auf dem Weg zur Mathildenhöhe ansehen könnten. Die Reste der im 15. Jahrhundert errichteten Stadtmauer, deren Bau durch die Verleihung der Stadtrechte 1330 ermöglicht wurde, führe 800 Jahre später vor Augen, wie sich Darmstadt verändert habe. Die Stadt sei ihren ursprünglichen Grenzen entwachsen, sowohl räumlich als auch ideell. Die jetzt eröffnete Anlage erinnere „an die wechselhaften Höhen und Tiefen unserer Stadt“.