Corona: Neue Varianten schnell im Abwasser entdecken
Frankfurter Rundschau
In Deutschland ist ein Pilotprojekt zur systematischen Überwachung von Sars-CoV-2 im Abwasser gestartet.
Karlsruhe - Im Frühjahr 2020 berichteten Forschende aus den Niederlanden erstmals, Erbgut des Coronavirus im Abwassersystem von Amersfoort gefunden zu haben – und das, bevor in der Stadt die ersten Infektionen mit dem Coronavirus nachgewiesen wurden. Das Team des Wasserforschungsinstituts KWR hatte damals bereits angeregt, Abwasser als ein Frühwarnsystem für die Verbreitung des Erregers zu nutzen. Seitdem sind fast zwei Jahre vergangen, in denen noch weitere Beispiele für den frühen Nachweis von Coronaviren im Abwasser hinzukamen.
Nun soll in Deutschland ein Projektverbund prüfen, inwieweit man sich die Tatsache, dass Coronaviren bereits vor bekannten Infektionen im Abwasser auftauchen, zunutze machen kann – um Fallzahlen schneller erheben oder neue Varianten früher entdecken und deren Verbreitung besser verfolgen zu können. Geprüft werden soll auch, ob und wie sich in Deutschland ein auf dem Abwasser basierendes Covid-19-Frühwarnsystem realisieren ließe. Koordiniert wird das Pilotprojekt „Systematische Überwachung von Sars-CoV-2 im Abwasser“ vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Die Europäische Union fördert das Vorhaben mit von rund 3,7 Millionen Euro.
Start war im Februar, die Laufzeit soll ein Jahr betragen. An insgesamt 20 Standorten aus dem Bundesgebiet werden zweimal pro Woche jeweils über einen Zeitraum von 24 Stunden Mischwasserproben aus dem Zulauf der Kläranlagen entnommen, aufbereitet und dann mittels PCR-Test auf das Vorhandensein von Coronaviren hin analysiert. Anschließend sollen die Ergebnisse mit den Daten zur Pandemie der örtlichen Gesundheitsämter verknüpft werden „und nach Möglichkeit in die pandemische Lagebeurteilung einfließen“, wie es in einer Mitteilung des KIT heißt.
Das Verfahren, die „Häufigkeit und Dynamik“ der Coronaviren über das kommunale Abwasser zu erproben, sei in Deutschland bereits bei einzelnen Forschungsprojekten „erfolgreich erprobt“ worden, sagt Harald Horn, Leiter des Bereichs Wasserchemie und Wassertechnologie am Engler-Bunte-Institut des KIT. Es könne nicht nur dazu beitragen, die Dunkelziffer von Infizierten besser abzuschätzen, sondern auch dazu, neue Varianten und deren Verbreitung „schneller zu erkennen als es durch die Testung einzelner Personen möglich“ sei.
Im Rahmen des Projekts wollen die Forschenden herausfinden, welche Methode für ein Monitoring am besten geeignet ist – und welche Daten erhoben werden müssen, um Coronaviren im Abwasser nachweisen zu können. Wie gut das klappt, kann bei den Varianten von Sars-CoV-2 durchaus unterschiedlich sein. So befällt Omikron anders als seine Vorgängerinnen vorwiegend die oberen Atemwege und schafft es eher selten tief in den Körper. Im Vergleich zu Delta und anderen Varianten gelangt Omikron deshalb seltener in das Abwasser. „Eine besondere Herausforderung für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist es deswegen, die Qualität der Probenentnahme, der Laboranalyse und der Datenauswertung weiter zu verbessern“, heißt es in der KIT-Mitteilung.