Berliner Chaos
Frankfurter Rundschau
Zwei Herthaner streiten sich um einen Elfer – das Wirrwarr vorm Strafstoß steht symbolisch für das Kuddelmuddel beim verhinderten Big-City-Club. Die Liste der Versäumnisse ist lang.
Es war natürlich kein gutes Bild, als da plötzlich Davie Selke und Dodi Lukebakio am Samstag im Berliner Olympiastadion am Elfmeterpunkt stritten. Jeder der beiden Stürmer von Hertha BSC hatte einen Ball in der Hand und wollte damit seinen Willen zur Ausführung demonstrieren. Wie Halbstarke irgendwo auf einem Bolzplatz in der Gropiusstadt. Das für einen ambitionierten Profiverein reichlich merkwürdige Machtspielchen, erst nach minutenlanger Debatte geklärt, ging glimpflich aus, weil letztlich Lukebakio den Strafstoß zur 1:0-Führung gegen den VfL Wolfsburg verwandelte, doch am Ende stand eine 1:2-Heimniederlage – und es blieb ein missmutiger Sportvorstand Fredi Bobic. Solch eine profane Angelegenheit wie den präferierten Elfmeterschützen könne man einfacher regeln, am besten schon vor dem Spiel, motzte der starke Mann bei der Alten Dame. Dabei steht das Wirrwarr beim Elfmeter symbolisch für das Kuddelmuddel (O-Ton Bobic) beim verhinderten Big-City-Club. Die Liste der Versäumnisse ist, irgendwie Berlin-typisch, ellenlang, wobei Bobic am meisten erschrocken sein dürfte, wie schlecht die Kabine funktioniert. Anders als bei seinem ehemaligen Arbeitgeber in Frankfurt ist dieses Multikulti-Ensemble keine Eintracht – sondern der Kader gespickt mit Möchtegern-Stars mit hoher Selbstüberschätzungsrate. Deshalb soll mit dem Brasilianer Matheu Cunha das größte Ego heute als morgen zu Atletico Madrid wechseln. Dass ihn Trainer Pal Dardai öffentlich einen Spaziergänger nannte, sagt eigentlich alles. Prädikat: nicht integrierbar. Doch beim neuerlichen Austausch des Personals kommt Bobic auch wegen der Corona-Krise nicht so schnell voran wie gewünscht. Es braucht einen langen Atem – und die Einsicht, dass die von Investor Lars Winhorst so üppig bereitgestellten Gelder zum Teil schon ziemlich sinnfrei in die Taschen von Spielern, Beratern und anderem Anhang gewandert sind. Doch wenn einem zugetraut wird, das Hertha-Chaos zu begradigen, dann ein Manager mit schwäbischen Wurzeln, der bei Eintracht Frankfurt aus sehr wenig sehr viel gemacht hat – und bei Hertha BSC aus viel wenigstens etwas mehr als Mittelmaß machen soll.More Related News