Zwischen Orthodoxie und Sowjet-Nostalgie
DW
Die Regierung in Athen verurteilt Putins Angriff auf die Ukraine - aber die griechische Bevölkerung bleibt gespalten in ihrer Haltung zu Moskau. Linke motiviert Sowjet-Nostalgie, Konservative der gemeinsame Glaube.
Maria kann noch immer nicht fassen, dass Russlands Präsident Wladimir Putin die Ukraine überfallen hat. Die 29-jährige Moskauerin, die ihren richtigen Name nicht öffentlich machen will, lebt seit drei Jahren in der nordgriechische Metropole Thessaloniki. Die Jurastudentin ist mit einem Griechen verheiratet und offiziell in Griechenland gemeldet - wie rund 15.000 weitere Russinnen und Russen.
Die Verbindung zwischen den beiden mehrheitlich christlich-orthodoxen Ländern ist traditionell eng. Griechisch hatte Maria bereits auf der Universität in Russland gelernt - ohne konkrete Pläne, nach Griechenland auszuwandern. Eigentlich ist sie nicht besonders gläubig, fühlt sich aber als orthodoxe Christin in Griechenland doch weniger fremd als in anderen Teilen Europas: "Die Religion verbindet uns, auch kulturell", sagt Maria der DW. "Ich bin viel gereist und weiß daher, dass man sich anpassen muss, wenn man im Ausland leben will. Aber hier musste ich kaum etwas verändern."
Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine am 24. Februar 2022 habe sich die wirtschaftliche Lage auch in Russland verschlimmert, erzählt Maria: "In Moskau schließen Geschäfte. Es gibt nicht genug Medikamente und es fehlt inzwischen auch an vielen anderen Ecken." Im Rest des Landes sei das ganz normal, "vielleicht freut man sich dort sogar darüber, dass die Versorgungslage jetzt auch in den großen Städten problematisch wird." Viele ihrer Verwandten und Freunde hätten das Land verlassen, ihr Vater sei über die finnische Grenze, die Mutter über Weißrussland nach Litauen gereist.
Für Maria steht fest: Wenn es um den Machterhalt geht, kennt Putin keine Grenzen. Auch deswegen sieht sie für sich in ihrer Heimat keine Perspektive mehr. Das propagandistische Mediensystem und die immer härteren staatlichen Maßnahmen gegen Andersdenkende hätten ihre letzte Hoffnung auf Besserung zerstört, sagt sie. Dass viele Menschen in Griechenland Probleme damit haben, Moskau für den Krieg gegen die Ukraine zu verurteilen, kann sie nicht begreifen: "Neulich hat ein Grieche gesagt, in Russland sei alles gut. Da habe ich widersprochen und ihm erklärt, wie die Lage wirklich ist. Das wollte er mit aber nicht glauben."
Athens Premierminister Kyriakos Mitsotakis folgt dem Kurs der EU, Kiew im Kampf gegen Moskau zu unterstützen. Griechenland hat bereits Waffen an die Ukraine geliefert. Doch aktuelle Meinungsumfragen zeigen: Über die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger unterstützen die Politik ihrer Regierung nicht. Während Flüchtende aus der Ukraine in Griechenland mit offenen Armen empfangen werden, lehnen viele Griechinnen und Griechen die EU-Maßnahmen gegen Russland ab. Über 60 Prozent sprechen sich laut einer Umfrage explizit gegen Waffenlieferungen aus - und sehen die Verantwortung für den Krieg sowohl in Moskau als auch in Kiew.