
Zwischen Essensvorräten und Explosionen: Das Leid in der Ukraine
Frankfurter Rundschau
Der Ukraine-Konflikt eskaliert. Russland greift an. Im Land herrscht Chaos. Einige Berichte geben Eindrücke über den Krieg vor Ort.
Kiew/Charkiw – Seit Donnerstagmorgen überschlagen sich die Nachrichten rund um den Ukraine-Konflikt. Russland hat einen Großangriff auf die Ukraine gestartet. Es herrscht Krieg. Die Realität, die damit konkret einhergeht, geht leicht in der Flut von Informationen und den internationalen Reaktionen unter. Unserer Redaktion liegen exklusive Informationen von Zivilisten aus verschiedenen Landesteilen der Ukraine vor, die ein Bild davon zeichnen, was in der Ukraine gerade geschieht. Zur Sicherheit der Personen wurden die Namen von der Redaktion geändert.
In der nahe der russischen Grenze gelegenen Stadt Charkiw sind die Menschen wie in vielen anderen Orten der Ukraine gegen fünf Uhr morgens mit dem Geräusch von Explosionen aufgewacht. Dort wurde der Militärflughafen Chugujew und Funktürme angegriffen. Menschen, die nicht bereits zuvor Lebensnotwendiges eingekauft und gelagert haben, sind zu Supermärkten und Tankstellen geströmt, um sich mit dem Notwendigsten einzudecken.
„Stundenlang standen Menschen in Schlangen vor Lebensmittelgeschäften und versuchten in Panik Geld abzuheben“, berichtet Michail, ein gebürtiger Charkiwer, der in München lebt.
Er hat den ganzen Tag lang versucht, Kontakt mit Verwandten aus seiner Geburtsstadt zu halten. Bargeld haben nur noch wenige Bewohner abheben können. Die ukrainische Zentralbank hat die Möglichkeiten zum Abheben von Bargeld beschränkt. Zusätzlich sei in den meisten Bankautomaten aufgrund der massenhaften Abhebungen in den Morgenstunden kein Bargeld mehr verfügbar gewesen.
Wer konnte, hat sich mit Mehl, Nudeln, Wasser und anderen Lebensmitteln eingedeckt. „Meine Oma hat wie viele Nachbarn gekauftes Trinkwasser in die Badewanne geschüttet, um so einen Wasservorrat zu schaffen - das Leitungswasser ist ja kaum trinkbar“, berichtet Michail. Schulen und Apotheken haben ihre Türen gar nicht erst geöffnet. Im Laufe des Tages ändert sich die surreale Geräuschkulisse für die Menschen vor Ort: Man hört Panzerfäuste. Auf der östlichen Umgehungsstraße der Stadt Charkiw sollen russische Panzer auf dem Weg zum Militärstützpunkt Chugujew unterwegs gewesen sein.