Zwischen Dialog und Gewalt: Der Sudan am Scheideweg
DW
Sudans Militär gibt sich neuerdings wieder dialogbereit - doch ein großer Teil der Protestbewegung lehnt Gespräche ab. Dem Land könnte eine weitere Verschärfung der politischen und wirtschaftlichen Krise bevorstehen.
Der seit Monaten geltende Ausnahmezustand im Sudan ist aufgehoben, doch gegen die Protestbewegung des Landes geht der Militärapparat weiterhin mit Gewalt vor. Nur wenige Tage, nachdem der selbsternannte Staatschef General Abdel Fattah al-Burhan vergangene Woche sein Dekret verkündet hatte, erschossen staatliche Sicherheitskräfte in der sudanesischen Stadt Omdurman erneut einen Demonstranten - es ist der hundertste getötete Demonstrant seit dem Putsch der Armee im Oktober vergangenen Jahres.
Im Oktober 2021 hatte die Armee die Übergangsregierung abgesetzt und an deren Stelle einen von ihren Vertretern dominierten "Souveränen Rat" berufen. Über ihn hielten die Militärs ungeachtet massiver, nicht abreißender Proteste in allen Landesteilen fortan die politische Macht in den Händen. Diese versuchten sie nach Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International durch willkürliche Verhaftungen und Menschenrechtsverletzungen im Land zu festigen. Dennoch rissen die Kundgebungen und Straßenproteste nicht ab.
Nun gab der seit dem Putsch als Staatschef fungierende General Abdel Fattah al-Burhan freilich nicht nur die Aufhebung des Ausnahmezustands bekannt. Er kündigte auch die Freilassung politischer Gefangener an. Tatsächlich wurden laut "Sudan Tribune" schon wenige Stunden später 125 Gefangene entlassen. Zahllose andere befinden sich aber weiterhin in Haft. In seinem Dekret sprach Burhan zudem von Hoffnung auf "Dialog" und "Stabilität".
Doch auch das könnte dauern: Die politischen Gespräche zur Lösung der Krise, die jetzt unter Vermittlung der UN und der Afrikanischen Union (AU) Begonnen haben, werden - zumindest bisher - von einem großen Teil der demokratischen Protestbewegung boykottiert. Beim Auftakt blieb ein Drittel der Stühle unbesetzt, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Und der AU-Gesandte Mohamed Hassan Lebatt betonte: "Wir können uns keine politische Lösung vorstellen, ohne die Teilnahme derer, die nicht anwesend sind."
Der Versuch, den politischen Prozess wiederzubeleben, fällt in eine Zeit rasanten wirtschaftlichen Niedergangs. Nach Ausrufung des Ausnahmezustands hatte die internationale Gemeinschaft dem Sudan bereits zugesagte Hilfsgelder eingefroren. Die Staatsschulden schossen in die Höhe, die Bevölkerung leidet unter massivem wirtschaftlichen Druck. So liegt die Inflationsrate des laufenden Jahres laut der offiziellen deutschen Wirtschaftsinformationsgesellschaft "Germany Trade and Invest" (gtai) bei 245 Prozent, die offizielle Arbeitslosenquote bei über 30 Prozent.