
Zweifel an Ungarns Eignung für die EU-Ratspräsidentschaft
DW
Ist die Regierung Orban in der Lage, die EU "glaubwürdig" zu vertreten? Die Frage hat Brisanz, angesichts der in einem Jahr anstehenden Ratspräsidentschaft durch Ungarn. Das EU-Parlament nimmt eine Haltung dazu ein.
Angesichts eingefrorener EU-Gelder und der zunehmenden Rechtsverstöße Ungarns gegen fundamentale Grundrechte bezweifelt eine große Mehrheit des Europäischen Parlaments, dass die Regierung von Premier Viktor Orban in Ungarn die Aufgaben einer EU-Ratspräsidentschaft "in glaubwürdiger Weise" erfüllen könne.
Eine entsprechende Resolution des Parlaments wurde mit 442 Ja-Stimmen angenommen, 144 Abgeordnete waren dagegen, 33 enthielten sich. Sie ist nicht bindend, weshalb es unwahrscheinlich ist, dass Ungarn die für Juli 2024 geplante Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft entzogen werden könnte.
In der Resolution ist neben "der Nicht-Achtung von Recht und Werten" der EU unter anderem auch von "systemischer Korruption" in Ungarn die Rede. Die Lage des Rechtsstaats habe sich in den vergangenen Jahren deutlich verschlechtert. Zudem wird das Regieren per Dekret angeprangert sowie die Bedrohung der Rechte von Lehrern oder auch LGBTQ-Menschen. Die englische Abkürzung LGBTQ steht für lesbisch, schwul, bisexuell, transgender und andere Geschlechtsidentitäten.
Die EU blockiert derzeit rund 30 Milliarden Euro an EU-Geldern, die für Ungarn vorgesehen sind - darunter 12 Milliarden an Hilfen und begünstigten Krediten aus dem Corona-Wiederaufbau-Fonds. Sie begründet dies damit, dass Justiz und Aufsichtsorgane im Land von Ministerpräsident Orban nicht ausreichend unabhängig seien, um eine korrekte Verwendung der EU-Gelder zu gewährleisten.
Das EU-Parlament fordert die Mitgliedstaaten angesichts dieser Probleme auf, "so bald wie möglich eine geeignete Lösung zu finden". Andernfalls könne das Parlament auch "entsprechende Maßnahmen ergreifen". Europa-Staatsministerin Anna Lührmann (Grüne) hatte Ungarn zuvor als "momentan in der EU isoliert" bezeichnet, "wegen Problemen bei der Rechtsstaatlichkeit, die wirklich gravierend sind". Zudem lasse das Land immer wieder mangelnde Unterstützung für die Ukraine im russischen Angriffskrieg erkennen.