Zwei im neuen Kraftfeld
Süddeutsche Zeitung
Die beiden Grünen-Chefs treten ab. Auch als Minister werden Annalena Baerbock und Robert Habeck wohl weiter den Ton in der Partei angeben. Aber ein anderer stört die Harmonie.
Irgendwann gibt es dann doch noch ein paar Tränen an diesem Abend. "Steh´ auf, wenn du am Boden liegst", diesen Song habe Claudia Roth ihr irgendwann im Wahlkampf geschickt, sagt Annalena Baerbock. Dann steht sie da, schwer bewegt und mit einem Blumenstrauß im Arm. Es hat jetzt schon die nächste Reise begonnen.
Freitagabend im Berliner Velodrom, die Radrennhalle soll Kulisse einer grünen Häutung werden. Die Grünen sind hier zum Parteitag zusammengekommen, genauer gesagt: Ein paar bekannte Parteigesichter sind im Saal - Claudia Roth, Cem Özdemir, Annalena Baerbock, Robert Habeck. Die meisten der mehr als 800 Delegierten sitzen zu Hause vor dem Bildschirm bei dieser digitalen Versammlung, die als Zäsur zu gelten hat.
Die Grünen wollen auf dem Parteitag Fehler des Wahlkampfs aufarbeiten, aber keine "Schulddebatte" um die Spitzenkandidatin führen. Wie soll das gehen? Von Constanze von Bullion
Annalena Baerbock und Robert Habeck treten nicht mehr als Parteivorsitzende an, weil sie Ministerposten haben. Am Samstag werden ihre Nachfolger bestellt: Die bisherige Vize-Parteichefin und Sozialpolitikerin Ricarda Lang gilt als Botschafterin nachwachsender grüner Generationen und als eine, die den Saal rocken könnte - wäre sie im Saal. Ist Lang aber nicht, wegen einer Corona-Infektion. Sie wird ihre Bewerbungsrede zu Hause vor dem Schirm halten. Der zweite zu wählende Parteichef ist der Außen- und Innenpolitiker Omid Nouripour, der neben robuster politischer Angriffslust 16 Jahre Bundestagserfahrung mitbringt.
Ein grünes Kraftfeld beginnt sich da zu verschieben, die Frage ist nur: Wohin genau? Zum Auftakt des Parteitags sind es Baerbock und Habeck, die das Wort führen, sie treten gemeinsam auf die Bühne. Es sei das letzte Mal, dass sie hier nebeneinander stünden als Parteivorsitzende, sagt Habeck. Dass der Saal so leer und "aseptisch" sei, das sei schon "irgendwie traurig". Baerbock dankt für "vier großartige gemeinsame Jahre." Was dann allerdings kommt, ist wenig trübsinnig, sondern ein Hohelied auf den politischen Kompromiss.