
Zum Tod von Jimmie Durham: Ihm war alles wichtig
Frankfurter Rundschau
Ein Nachruf auf den Künstler und Aktivisten. Von Sandra Danicke
Ein Gespräch mit dem amerikanischen Künstler Jimmie Durham umfasste stets das gesamte Universum. Mit ihm über seine Kunst zu reden, bedeutete, die ganze Welt in Betracht zu ziehen. Man fragte etwa nach einem roten Glasobjekt, das bei Durham auf dem Terrassentisch lag, erhielt die Antwort, dass es sich um Abfall aus dem Mülleimer der Glasmanufaktur in Murano handelt („Die Form erinnert mich an einen Vogel“), und stellte 30 Minuten später fest, dass man inzwischen über eine winzige Eidechse auf einer Treppe irgendwo in Arkansas, die Spiegelungen auf den Juwelen der Heiligenfiguren des Genter Altars, einen Franzosen, der als Sandexperte für die Polizei arbeitet und den Zynismus der Einrichtung Zoo gesprochen hatte. Jimmie Durham war ein Meister der genialen Abschweifung.
Schrieb er einen Essay über Stühle, dann geht es darin zugleich um einen Film mit Sharon Stone, die Vermeidung von Darmträgheit, die Unstimmigkeit des Mobiliars bei den Darstellungen des Letzten Abendmahls. „Alles ist wichtig, nicht wahr?“, fand Durham und erzählte, dass er „auf gewisse Weise fanatisch“ sei, wenn er mal einen Film schaue: „Ich achte immer auf die unwichtigen Dinge im Hintergrund.“ Für einen Künstler ist das keine schlechte Voraussetzung. Für seine scharfsichtigen und humorvollen Installationen wurde Durham mit dem Goslarer Kaiserring und dem Goldenen Löwen für sein Lebenswerk ausgezeichnet
Geboren wurde Durham 1940 in Washington als Cherokee; die Familie war bettelarm, „aber wir haben das nicht so empfunden.“ Mit 16 ging er für vier Jahre zur Armee. „Ich wollte die Welt sehen und eine Ausbildung haben“, erklärte Durham, der sich nach einem Kunststudium in Genf sieben Jahre lang bei den Vereinten Nationen für die Rechte der amerikanischen Ureinwohner eingesetzt hat. 1987 verließ er zusammen mit der brasilianischen Künstlerin Maria Thereza Alves die USA, ging nach Mexiko und kehrte nie mehr zurück. Damals wurde er mit Assemblagen und Skulpturen bekannt, die das Klischee Indianischen Kunsthandwerks karikieren.