
Zinsen: Woche der Wahrheit für die EZB
DW
Klar ist, dass die Europäische Zentralbank am kommenden Donnerstag erstmals seit Jahren die Zinsen anheben wird. Nur wie hoch es gehen wird, bleibt die spannende Frage.
Die Inflation im Euroraum bei mehr als acht Prozent, der Eurokurs auf dem Niveau des Dollar, dazu noch eine Regierungskrise in Italien: In diesem Umfeld trifft sich an diesem Donnerstag der Rat der Europäischen Zentralbank, um über die weitere Richtung der Geldpolitik zu entscheiden.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte bei der letzten Ratssitzung im Juni eine Zinswende angekündigt, es wäre die erste seit elf Jahren. Danach sollen die Leitzinsen zunächst um 25 Basispunkte steigen, im September dann wahrscheinlich um 50 Basispunkte. Die Zeit der Negativzinsen wäre also spätestens dann vorbei. Schon jetzt aber reagieren viele Banken, so haben allein in Deutschland inzwischen fast 50 Geldhäuser Strafzinsen für die Einlagen ihrer Kunden ganz gestrichen, weitere dürften in den kommenden Wochen folgen.
Doch wie schnell die EZB die Zinsen anhebt, das ist die spannende Frage. "Die EZB ist zu spät dran", meint Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen, der Helaba. Sie nennt angesichts der historischen hohen Inflationsrate von zuletzt 8,6 Prozent im Euroraum die Situation "prekär": "Überall in der Welt haben die Notenbanken die Zinsen schon erhöht, nun muss auch die EZB zeigen, dass sie ihren Auftrag ernst nimmt und die Inflation bekämpft."
Tempo und Ausmaß der geldpolitischen Normalisierung aber sind umstritten - auch im EZB-Rat. So kann sich Bundesbank-Präsident Joachim Nagel sogar vorstellen, die Leitzinsen in den restriktiven Bereich zu erhöhen, damit würde also die Wirtschaft aktiv gebremst. Nagel gehört eher zu den Vertretern einer strengeren Geldpolitik (die Falken), während die Befürworter einer lockereren Gangart (die Tauben), vor den Risiken einer Rezession warnen, vor allem wegen der Folgen des Kriegs in der Ukraine. Auch unter Beobachtern ist der Kurs umstritten.
So setzt Karsten Junius, Chefvolkswirt der schweizerischen Bank Safra Sarasin, auf einen Zinsschritt von 50 Basispunkten. Die EZB sollte sich in dieser Lage nicht mehr so stark an ihren Ankündigungen ausrichten, der sogenannten forward guidance. Selbst wenn die Notenbank zunächst nur einen kleinen Zinsschritt unternehme: Es sei wichtig, so meint Gertrud Traud, dass die Währungshüter deutlich machten, dass sie bereit seien, auch nach dem September die Zinsen weiter anzuheben, damit sie ihrem Auftrag nachkomme. Der lautet ja, die Inflation auf einem Niveau von zwei Prozent zu halten, damit der Wert des Euro stabil bleibt.